Wallander 07 - Mittsommermord
solltest du besser Linda fragen.«
Wallander nickte. Martinsson hatte recht. Er würde Linda fragen, die viel las. Während des Sommers, als sie auf Gotland waren, hatte er einmal die Bücher angesehen, die sie bei sich hatte. Von keinem der Autoren hatte er etwas gehört.
Martinsson kehrte zum Kleiderschrank zurück. Wallander wandte sich wieder dem Regal neben dem Bett zu. Mit ein paar Fotoalben setzte er sich an den Schreibtisch und begann zu blättern. Bilder von Isa und ihrem Bruder. Die Farben sind schon etwas verblichen. Im Freien oder in Räumen aufgenommene Bilder. An einem See. Isa und ihr Bruder mit einem Schneemann. Beide stehen |250| steif und gerade und sehen weder froh noch stolz aus. Danach auf ein paar Seiten Isa allein. Schulfotos. Isa und Freunde in Kopenhagen. Dann wieder Jörgen. Er ist jetzt älter. Fünfzehn und finster. Ob die Schwermut arrangiert war oder echt, konnte Wallander nicht erkennen. Im Bild war der kommende Selbstmord schon vorgezeichnet, dachte Wallander beklommen. Aber weiß er es selbst? Isa lächelt auf den Bildern. Jörgen ist düster. Dann kommen Küstenlandschaften. Bilder von Meer und Klippen. Wallander holte das Aquarell hervor. Die Landschaften glichen sich. Auf einer Seite steht ein Name und eine Jahreszahl: Bärnsö 1989. Wallander blätterte weiter. Nirgendwo gab es Bilder der Eltern. Nur Jörgen und Isa. Freunde. Und Landschaften. Meer und Schären. Aber keine Eltern.
»Wo liegt Bärnsö?« fragte Wallander.
»Erwähnen sie das nicht immer im Seewetterbericht?«
Wallander wußte es nicht. Er griff zum nächsten Album. Bilder aus späteren Jahren. Immer noch keine Eltern. Überhaupt keine Erwachsenen. Mit einer Ausnahme. Lundbergs stehen vor ihrem Haus. Man erkennt den Traktor. Es ist Sommer. Sie lachen. Wallander ist überzeugt, daß Isa das Bild aufgenommen hat. Dann wieder Bilder vom Meer und den Klippen. Auf einem dieser Bilder ist auch Isa zu sehen. Sie steht auf einer Klippe, die kaum über die Wasseroberfläche ragt.
Er betrachtete das Bild lange.
Es sah aus, als ginge Isa auf dem Wasser. Wer hatte es aufgenommen?
Martinsson gab plötzlich einen Pfiff von sich. »Ich glaube, das solltest du dir einmal ansehen«, sagte er.
Wallander stand hastig auf.
Martinsson hielt eine Perücke in der Hand. Sie glich denen, die Martin Boge, Lena Norman und Astrid Hillström getragen hatten. An einer Haarsträhne war mit einem Gummiband ein Zettel befestigt. Wallander löste ihn vorsichtig ab.
»›Holmsted Kostümverleih‹«, las er. »Kopenhagen. Adresse und Telefonnummer.«
Er drehte den Zettel um. Die Perücke war am 19. Juni ausgeliehen und hätte am 28. Juni wieder abgegeben werden sollen.
|251| »Wollen wir sofort anrufen?« fragte Martinsson.
»Wenn wir nicht am besten gleich rüberfahren«, gab Wallander zurück. »Aber ruf erst einmal an.«
»Am besten rufst du an«, sagte Martinsson. »Dänen verstehen mich nie.«
»Du verstehst sie nicht«, sagte Wallander freundlich. »Weil du dir nie Mühe gibst, ordentlich zuzuhören.«
»Ich versuche inzwischen herauszufinden, wo Bärnsö liegt. Warum ist das wichtig?«
»Das frage ich mich auch«, sagte Wallander, während er auf seinem Handy die Nummer in Kopenhagen eintippte. Eine Frau meldete sich. Wallander erklärte ihr, wer er war und worum es sich handelte. Eine Perücke, die am 19. Juni ausgeliehen und nicht rechtzeitig zurückgegeben worden war.
»Sie ist von Isa Edengren ausgeliehen worden«, sagte er. »In Skårby in Schweden.«
»Einen Augenblick, ich sehe nach«, antwortete sie.
Wallander wartete. Martinsson hatte den Raum verlassen. Er sprach mit jemandem über eine Telefonnummer der Seenotrettung. Die Frau kam ans Telefon zurück. »Wir haben keine Perücke an Isa Edengren verliehen«, sagte sie. »Weder an dem Tag noch an einem anderen.«
»Versuchen Sie es mit einem anderen Namen«, sagte Wallander.
»Ich bin allein im Laden und habe Kunden«, sagte die Frau. »Kann das nicht warten?«
»Nein. Sonst muß ich mit der dänischen Polizei Kontakt aufnehmen.«
Sie protestierte nicht. Er gab ihr die übrigen Namen, Martin Boge, Lena Norman, Astrid Hillström. Dann wartete er. Martinsson klang irritiert. Er sprach mit einem Unbekannten, der darauf bestand, ihn an jemand anderen zu verweisen.
Die Frau kam zurück. »Es stimmt«, sagte sie. »Am 19. Juni suchte eine Frau namens Lena Norman vier Perücken aus und bezahlte die Leihgebühr. Dazu ein paar Kleidungsstücke. Alles
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