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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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dem Boot, das über die nahezu unbewegte Wasseroberfläche glitt, hatte er das Gefühl, daß die Frage einen anderen Charakter bekam.
    »Es kommt vor, daß ich meine Zweifel habe«, rief er. »Aber wenn man fast fünfzig ist, steht man ziemlich allein auf dem Bahnhof. Die meisten Züge sind abgefahren.«
    »Ich bin im Frühjahr fünfzig geworden«, sagte Westin. »Alle hier draußen, die ich kenne, haben ein Festessen veranstaltet.«
    »Und wie viele kennen Sie hier auf den Inseln?«
    »Alle. Das Festessen war also ziemlich groß.«
    Westin legte das Ruder herum und nahm Fahrt weg. Neben einem hohen Felsrücken lag ein rot gestrichenes Bootshaus mit einem Anlegesteg, der auf einer Reihe von Steinkästen ruhte.
    »Båtsmansö«, sagte Westin. »Als ich Kind war, lebten hier neun Familien. Über dreißig Personen. Jetzt, im Sommer, sind viele Sommergäste hier. Aber wenn es Herbst wird, bleibt nur noch ein Mensch zurück. Er heißt Zetterkvist und ist dreiundneunzig. Aber er kommt im Winter noch immer allein zurecht. Dreimal ist er verwitwet. Er ist einer von diesen Alten, wie es sie kaum noch gibt. Vielleicht sind sie von der Sozialbehörde verboten worden?«
    Wallander mußte laut lachen bei dem letzten Kommentar.
    »Ist er Fischer gewesen?«
    »Der hat alles mögliche gemacht. Er war auch Lotse.«
    »Sie kennen hier alle? Und alle kennen Sie?«
    »Das bleibt nicht aus. So wird es zwangsläufig. Und wenn er eines Tages nicht auf dem Steg auftaucht, gehe ich natürlich hoch und sehe nach, ob er krank ist. Oder ob er gefallen ist. Als Briefträger, zur See oder an Land, weiß man, was mit den Leuten los ist. Was sie tun, wohin sie wollen, wann sie nach Hause kommen. Ob man will oder nicht.«
    Westin hatte sanft an der Brücke angelegt. Er machte nur eine Achterleine fest und stellte ein paar Kisten an Land. Eine ganze Menge Menschen hatten sich eingefunden. Westin nahm das Postbündel und verschwand damit zu einer kleinen roten Bude. Wallander kletterte auf den Anlegesteg. Ein paar altertümliche Steinsenker lagen auf einem Haufen. Die Luft war frisch.
    |284| Nach einigen Minuten war Westin fertig. Sie legten wieder ab. Die Fahrt ging weiter durch die abwechslungsreiche Schärenlandschaft. Nach zwei weiteren Postanlegestellen näherten sie sich Bärnsö. Sie gelangten in eine Bucht, die Vikfjärden hieß, wie Wallander der Seekarte entnahm. Bärnsö lag sonderbar einsam, als sei die Insel aus der Gemeinschaft des Archipels ausgestoßen worden.
    »Sie kennen bestimmt die ganze Familie Edengren«, sagte Wallander, als das Boot kaum noch Fahrt machte und sich dem Anlegesteg näherte.
    »Kennen und kennen«, sagte Westin. »Mit den Alten, den Eltern, habe ich nicht viel zu tun gehabt. Die kommen mir ein bißchen von oben herab vor, wenn ich ehrlich sein soll. Aber Isa und Jörgen sind sehr häufig mit mir gefahren.«
    »Sie wissen natürlich, daß Jörgen tot ist«, sagte Wallander zögernd.
    »Ich habe gehört, daß er sich totgefahren hat«, erwiderte Westin. »Ich glaube, sein Vater hat es mir erzählt. Einmal mußte ich ihn holen, weil sein eigenes Boot einen Schraubenschaden hatte.«
    »Es ist immer tragisch, wenn Kinder sterben«, sagte Wallander.
    »Ich hatte mir eigentlich eher vorgestellt, daß Isa mal ein Unglück zustoßen könnte.«
    »Und warum?«
    »Sie lebt wohl ziemlich wüst drauflos. Zumindest, wenn man ihr selbst glauben soll.«
    »Sie hat Ihnen also etwas erzählt? Als Postbootfahrer wird man vielleicht auch eine Art Seelsorger?«
    »Nein, verdammt. Aber ich habe einen Sohn im gleichen Alter wie Isa. Das ist ein paar Sommer her. Sie gingen zusammen. Aber dann war es aus, wie das in dem Alter so ist.«
    Das Boot stieß an die Anlegebrücke. Wallander griff nach seiner Tasche und stieg an Land. »Ich rufe Sie an«, sagte er. »Irgendwann im Lauf des Nachmittags.«
    »Ich esse um sechs«, gab Westin zurück. »Vorher und nachher ist es kein Problem.«
    Wallander blieb auf der Anlegebrücke stehen und sah dem Boot nach, das um eine Landspitze verschwand. Er dachte nach über das, was Westin über Jörgens Tod gesagt hatte. Die Eltern hatten |285| also die eigentliche Todesursache verheimlicht. Ein Toaster in einer Badewanne hatte sich in einen Autounfall verwandelt.
    Wallander ging an Land. Die Insel war üppig grün bewachsen. Beim Anlegesteg waren ein Bootsschuppen und eine kleinere Gästehütte. Die Hütte erinnerte an das Gartenhaus in Skårby, in dem Wallander das bewußtlose Mädchen gefunden hatte.

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