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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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der Stelle versteckt liegen können, an der die Fotos gemacht werden sollten. Oder von der anderen Seite kommen können, wo ihrer Ansicht nach sein Wagen gestanden haben mußte. Zwei Personen waren unabhängig voneinander dort vorbeigegangen, gerade als das Brautpaar und der Fotograf ankamen. Und zu dem Zeitpunkt hatte sich niemand dort befunden.
    Die Frage nach dem Aussehen des Mörders war schwerer zu beantworten. Sie versuchten, die vorliegenden Aussagen zusammenzufügen. Doch das Gesamtbild blieb undeutlich. Martinsson rief ein paarmal bei Ann-Britt Höglund an und konferierte mit ihr über die Auskünfte, die sie erhalten hatte.
    Schließlich kamen sie nicht mehr weiter. Wallander sah seine Aufzeichnungen durch.
    »Was für eine merkwürdige und widersprüchliche Personenbeschreibung«, sagte er finster. »Hat er kurze Haare oder eine Glatze? Die Meinungen in diesem Punkt sind geteilt. Und wenn er Haare hat, kurzgeschnitten oder nicht, wissen wir noch immer nicht, welche Farbe. Alle scheinen sich jedoch darin einig zu sein, daß sein Gesicht nicht rund ist. Eher länglich. ›Ein Pferdegesicht‹, erklären seltsamerweise zwei voneinander unabhängige Zeugen. Außerdem ist man sich einig, daß der Mann, der aus dem Wasser kam, nicht sonnengebräunt war. Er war von normaler Größe. Auch da herrscht Einigkeit. Aber das kann alles bedeuten, außer daß er ein Zwerg oder ein Riese ist. Er scheint nicht dick zu sein und bewegt sich nicht auffällig. Welche Augenfarbe er hat, konnte natürlich niemand sagen. Keiner hat sich in seiner unmittelbaren Nähe befunden. Ein Mann mit Hund geht in ungefähr fünf |415| Meter Abstand an ihm vorbei. Näher kommen wir ihm nicht. Am größten ist die Verwirrung in bezug auf das Alter des Mannes. Die Vermutungen reichen von zwanzig bis sechzig. Es gibt eine schwache Mehrheit für die Gruppe derer, die ihn auf fünfunddreißig bis fünfundvierzig schätzen. Aber keiner hat seine Schätzung wirklich begründen können.«
    Wallander schob den Block von sich. »Mit anderen Worten haben wir überhaupt keine Personenbeschreibung«, faßte er zusammen. »Wir wissen lediglich, daß es ein Mann ist. Ohne sichtbare Gebrechen. Und daß er nicht braungebrannt ist. Alles übrige ist widersprüchlich.«
    Das Schweigen lastete schwer auf ihnen. Wallander versuchte, die Stimmung im Raum anzuheben. »Trotzdem ist es beeindruckend, daß wir alle diese Auskünfte in so kurzer Zeit gesammelt haben. Wenn wir morgen so weitermachen, können wir sicher vieles verdeutlichen. Die Erkenntnis, daß dieser Mann der Täter ist, kommt einem entscheidenden Durchbruch gleich.«
    Hier machte er die erste Pause. Danach berichtete er kurz über das Gespräch mit Lone Kjær in Kopenhagen. Die Frau auf dem Foto, das sie bei Svedberg gefunden hatten, war damit zwar noch nicht identifiziert, wohl aber lokalisiert.
    Dann beendete er die Sitzung. Es war drei Minuten vor drei. Jeder wollte so rasch wie möglich nach Hause. Nur Martinsson blieb. Sein Gesicht war grau vor Schlaflosigkeit.
    »Es kommt noch Material von Interpol und vom FBI«, sagte er. »Über diese Organisation, die sich ›Divine Movers‹ nennt. Anscheinend handelt es sich um eine Gruppe, die sich von einer anderen Sekte mit dem sonderbaren Namen ›Töchter Jesu‹ abgespalten hat. Deren Wurzeln liegen wiederum in der Rasta-Bewegung, der griechischen Götterlehre und einer ganzen Reihe anderer Vorstellungen. Der Gründer war ein katholischer Priester in Uruguay, der wahnsinnig wurde. In einer Nervenheilanstalt hatte er eine Offenbarung, wurde kurz darauf sonderbarerweise als geheilt entlassen und begründete diese Bewegung.«
    »Uns interessiert Gewalt«, unterbrach Wallander ihn ungeduldig. »Sind Mitglieder dieser Sekte schon früher betroffen gewesen?«
    |416| »Nicht soweit ich aus dem bisher Eingegangenen ersehen kann. Aber es ist mehr Material angekündigt. Sowohl aus Washington als auch aus Brüssel. Ich dachte, ich lese es jetzt durch, wo die Sitzung zu Ende ist.«
    »Du solltest nach Hause gehen und schlafen«, sagte Wallander.
    »Ich dachte, es wäre wichtig.«
    »Es ist wichtig. Aber wir können nicht alles auf einmal tun. Jetzt müssen wir uns auf Nybrostrand konzentrieren. Da sind wir trotz allem in die Nähe dieses Wahnsinnigen gekommen.«
    »Hast du deine Meinung geändert?«
    »Was meinst du damit?«
    »Du sprichst von einem ›Wahnsinnigen‹?«
    »Ein Mann, der mordet, ist immer wahnsinnig. Aber er kann berechnend und feige sein, oder

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