Wallander 07 - Mittsommermord
Stuhl zurück, merkte, wie müde er war. Und durstig. Er schloß die Augen und fragte sich, wer Adamsson sein mochte. Dann beugte er sich wieder vor und hob die braune Schreibunterlage an. Darunter lagen ein paar Merkzettel und Visitenkarten. Bomans Antiquariat in Göteborg. Die Telefonnummer des Audi-Händlers in Malmö. Svedberg war seiner Marke treu geblieben und fuhr nur Audi. Genau wie Wallander seinen Peugeot immer gegen einen neuen Peugeot eintauschte. Auf einer der Visitenkarten stand die Adresse eines Unternehmens mit Namen Indian Heritage in Minneapolis. Eine Annonce, die aus einer Zeitung herausgerissen war: Kräutergarten Naturheilmittel in Karlshamn. Wallander ließ die Schreibunterlage zurückfallen. Zwei Schreibtischschubladen lagen herausgerissen auf dem Fußboden. Die anderen beiden waren halb geöffnet. Er zog die erste heraus. Darin lagen Kopien von Steuererklärungen. In der anderen Postkarten und Briefe. Wallander blätterte die Briefe durch. Die meisten waren älter als zehn Jahre. Fast alle von Svedbergs Mutter. Er legte sie zurück und betrachtete die Postkarten. Zu seiner Verwunderung fand er eine, die er selbst Svedberg geschickt hatte. Aus Skagen.
Die Strände hier sind phantastisch
, hatte er geschrieben. Das war vor drei Jahren. Er war krank und hatte lange |89| daran gezweifelt, ob er seinen Dienst je wieder antreten würde. Lange Zeit hatte er an den herbstlichen und verlassenen Stränden Skagens seinen einsamen Polizeibezirk eingerichtet. Er konnte sich nicht daran erinnern, die Karte geschrieben zu haben. Er hatte nur wenige Erinnerungen an jene Zeit. Aber er hatte Svedberg also eine Ansichtskarte geschickt. Schließlich war er nach Ystad zurückgekehrt und hatte wieder angefangen zu arbeiten. Auch die Erinnerung an die Besprechung an jenem ersten Morgen im Polizeipräsidium war mit Svedberg verbunden. Björk hatte Wallander begrüßt und willkommen geheißen. Es war sehr still geworden, weil alle überzeugt gewesen waren, daß er nie wieder zurückkommen würde. Es war Svedberg, der schließlich das Schweigen brach. Wallander konnte sich noch an jedes einzelne seiner Worte erinnern:
Es ist gut, daß du zurückkommst. Denn hier wäre es ohne dich verflucht noch mal keinen Tag länger gegangen.
Wallander verharrte bei seinen Erinnerungen. Versuchte, Svedberg zu sehen, wie er gewesen war. Oft schweigsam. Aber auch derjenige, der ein bedrückendes Schweigen auflösen, der eine befreiende Bemerkung machen konnte. Er war ein fähiger Polizist gewesen. Nicht irgendwie herausragend. Sondern eben fähig. Beharrlich und pflichtbewußt. Nicht besonders phantasievoll. Auch nicht gerade ein Mann der Feder. Seine Berichte waren häufig schlecht formuliert und irritierten die Staatsanwälte. Aber er füllte seinen Platz bei der Polizei aus, hatte ein gutes Gedächtnis und war überzeugt davon, daß die Arbeit, die er tat, einen Sinn hatte.
Etwas anderes fiel Wallander ein. Vor einigen Jahren hatten sie eine komplizierte Mordermittlung durchlitten, in der der Besitzer von Schloß Farnholm eine unheimliche Hauptrolle spielte. Wallander konnte sich daran erinnern, daß Svedberg gesagt hatte:
Ein Mann, der so viel besitzt, kann ganz einfach nicht ehrlich sein.
Bei einer anderen Gelegenheit, auch in dieser Ermittlung, hatte Svedberg ihm einen Traum anvertraut. Er hoffte,
einmal im Ernst einen von diesen Herren hinter Schloß und Riegel zu bringen, die zu glauben scheinen, in unserer Gesellschaft Immunität zu besitzen
.
Wallander stand auf und trat in Svedbergs Schlafzimmer. Keine Spur von einem Teleskop. Er kniete nieder und schaute unters |90| Bett. Svedberg hielt Ordnung. Da lag kein Staub. Und auch sonst nichts. Er hob die Kissen an, eins nach dem anderen. Nichts. Dann öffnete er den Kleiderschrank. Svedbergs Anzüge und Hemden waren ordentlich aufgehängt. Auf dem Boden stand ein Schuhregal. Wallander leuchtete mit der Taschenlampe hinter die Kleidung. Da waren ein paar Koffer. Wallander nahm sie heraus und öffnete sie. Immer noch nichts. Danach widmete er sich einer Kommode, die an einer der Schmalseiten stand. Unterwäsche und Bettwäsche. Wallander tastete den Boden der Schubladen ab. Setzte sich auf die Bettkante. Auf dem Nachttisch lag ein aufgeschlagenes Buch. Eine Geschichte der Sioux-Indianer, auf englisch. Svedberg sprach schlecht Englisch, dachte Wallander. Aber vielleicht konnte er es gut lesen.
Wallander blieb sitzen und blätterte geistesabwesend in dem Buch. Bei einem schönen
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