Wallander 07 - Mittsommermord
gekommen. Wir machen da drinnen einen neuen Treppenaufgang.«
»Und seit wann haben Sie den Betonmischer in Betrieb?«
Der Mann überlegte. »Das muß am Dienstag gewesen sein. Gegen elf Uhr.«
»Und seitdem läuft er?«
»Im großen und ganzen ohne Pause. Von sieben bis fünf. Manchmal etwas länger.«
»Hat er die ganze Zeit an derselben Stelle gestanden?«
»Ja.«
»Das heißt, daß Sie gut sehen konnten, wer hier im Haus ein und aus gegangen ist.«
Plötzlich verstand der Mann, worauf Wallander hinauswollte, und wurde sehr ernst.
»Sie wissen natürlich nicht, wer hier wohnt«, sagte Wallander. »Aber ein paar Menschen haben Sie sicher mehr als einmal kommen und gehen sehen.«
»Ich weiß nicht, wie dieser Polizeibeamte aussah. Wenn Sie das meinen.«
Daran hatte Wallander nicht gedacht. »Ich werde jemanden schicken, der Ihnen ein Foto zeigt«, sagte er. »Wie heißen Sie?«
»Nils Linnman. Wie der mit den Naturprogrammen.«
Wallander erinnerte sich daran, daß ein Mann dieses Namens über viele Jahre hinweg im Fernsehen aufgetreten war.
»Haben Sie etwas Ungewöhnliches bemerkt, seit Sie hier arbeiten?« fragte Wallander, während er vergebens seine Taschen nach Papier und Bleistift durchsuchte.
»Was hätte das sein sollen?«
»Jemand, der einen nervösen Eindruck machte. Jemand, der es |113| eilig hatte. Man wird doch aufmerksam, wenn etwas nicht ins Bild paßt.«
Linnman dachte nach. Wallander wartete. Es war noch immer warm. Und er mußte auf die Toilette.
»Nein«, antwortete Linnman schließlich. »Mir ist nichts aufgefallen. Aber vielleicht hat Robban was gesehen.«
»Robban?«
»Der mir den Schlauch abgenommen hat. Allerdings bezweifle ich, daß der irgendwas sieht. Der hat nichts als sein Motorrad im Kopf.«
»Wir fragen ihn am besten«, meinte Wallander. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, lassen Sie es mich bitte sofort wissen.«
Ausnahmsweise hatte Wallander eine Visitenkarte bei sich. Linnman steckte sie in die Brusttasche seines sackartigen Overalls.
»Ich hol Robban.«
Das Gespräch mit dem jüngeren Bauarbeiter war sehr kurz. Er hieß Robert Tärnberg und wußte kaum, daß im Haus nebenan ein Polizist getötet worden war. Noch weniger war ihm irgend etwas aufgefallen, was von Interesse sein konnte.
Wallander vermutete, daß Tärnberg nicht einmal einen Elefanten bemerkt hätte, wenn einer auf der Straße vorbeigekommen wäre. Wallander verzichtete darauf, ihm eine Visitenkarte zu geben, und kehrte in Svedbergs Wohnung zurück. Jetzt hatte er immerhin eine denkbare Erklärung dafür, warum niemand im Haus die Schüsse gehört hatte. Er ging in die Küche und rief im Präsidium an. Ann-Britt war als einzige verfügbar. Er bat sie, mit einem Foto Svedbergs herzukommen und es den Bauarbeitern zu zeigen.
»Wir haben Beamte in die umliegenden Häuser geschickt, die von Tür zu Tür gehen. Aber die Bauarbeiter auf der Straße hat man offenbar vergessen«, sagte sie.
Wallander ging zurück in den Flur, blieb dort regungslos stehen und versuchte, alle nebensächlichen Gedanken wegzufiltern.
Vor vielen Jahren, als Wallander von Malmö nach Ystad gekommen war, hatte Rydberg genau das Wort benutzt.
Wegfiltern
, hatte er gesagt.
Alles Nebensächliche wegfiltern. An jedem Tatort
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finden sich Abdrücke. Schatten eines Verlaufs. Die mußt du finden.
Wallander öffnete die Wohnungstür. Schon hier stimmte etwas nicht. In einem Korb unter dem Spiegel lagen einige Nummern von
Ystads Allehanda
. Svedberg war Abonnent. Aber es lag keine Zeitung auf der Fußmatte. Wallander überlegte. Mindestens eine hätte dort liegen müssen. Vielleicht auch zwei. Weniger wahrscheinlich drei, auch wenn es nicht ganz auszuschließen war. Jemand hatte die Zeitungen also fortgenommen. Er ging in die Küche. Auf der Spüle lagen die Zeitungen von Mittwoch und Donnerstag. Die Freitagsausgabe lag auf dem Küchentisch. Wallander wählte die Nummer von Nybergs Mobiltelefon. Nyberg meldete sich sofort.
Zuerst erzählte Wallander von dem Betonmischer. Nyberg war skeptisch.
»Die auf der Straße haben mit Sicherheit nichts gehört, wenn der Mischer an war«, meinte er. »Aber Geräusche, die im Inneren eines Hauses entstehen, pflanzen sich anders fort. Ich habe mal etwas darüber gelesen.«
»Wir sollten vielleicht Schießproben durchführen«, sagte Wallander. »Mit und ohne Betonmischer. Und ohne die Nachbarn vorzuwarnen.«
Nyberg stimmte ihm zu.
»Eigentlich rufe ich wegen der Zeitung an«, fuhr
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