Wallander 07 - Mittsommermord
nichts, was ihn überraschte. Er sah sich noch einmal im Raum um, bevor er zu seinem Wagen ging.
Das Telefon piepte.
»Sie ist jetzt hier«, sagte Ann-Britt Höglund.
»Was sagen die Ärzte?«
»Bisher noch nicht viel.«
Sie versprach, ihn anzurufen, sobald sie Neuigkeiten hatte. Wallander stellte sich neben sein Auto und pinkelte, bevor er zu Lundbergs Hof hinüberfuhr. Ein Hund lag auf der Haustreppe und beäugte ihn mißtrauisch. Lundberg kam heraus und scheuchte ihn weg. Wallander trat in eine gemütliche Küche. Lundbergs Frau hatte Kaffee aufgesetzt. Sie hieß Barbro und sprach ausgeprägten Göteborger Dialekt.
»Wie geht es ihr?« fragte sie.
»Eine Kollegin von mir ist im Krankenhaus und ruft mich an, wenn sie etwas weiß.«
»Hat sie versucht, sich das Leben zu nehmen?«
»Es ist noch zu früh, darauf zu antworten«, sagte Wallander. »Aber ich konnte sie nicht wachrütteln.«
Er setzte sich an den Küchentisch und legte das Handy neben sich. »Ich nehme an, es ist nicht das erste Mal«, sagte er. »Weil Sie direkt fragen, ob es ein Selbstmordversuch war.«
»Das ist eine Selbstmörderfamilie«, sagte Lundberg mit Widerwillen in der Stimme. Dann verstummte er abrupt, als bereue er sogleich, was er gesagt hatte. Barbro Lundberg stellte die Kaffeekanne auf den Tisch.
|166| »Isas Bruder starb vor zwei Jahren«, sagte sie. »Er war erst neunzehn. Isa und Jörgen waren ein Jahr auseinander.«
»Was ist geschehen?«
»Er legte sich in die Badewanne«, sagte Lundberg. »Vorher schrieb er noch einen Brief an seine Eltern, in dem er sie bat, sich zur Hölle zu scheren. Dann schloß er einen Toaster an der Steckdose für den Rasierapparat an und ließ ihn ins Wasser fallen.«
Wallander hörte mit wachsendem Unbehagen zu. Er meinte auch, sich vage an den Vorfall erinnern zu können.
Dann fiel ihm plötzlich ein, daß Svedberg die Untersuchung durchgeführt hatte und zu dem Ergebnis gekommen war, es müsse sich um Selbstmord handeln. Oder einen Unglücksfall. Oft ließ sich das nicht klar feststellen.
Auf einer altertümlichen Küchenbank unter dem Fenster lag eine Zeitung. Wallander hatte sie gesehen, als er in die Küche trat. Auf der ersten Seite war ein Foto von Svedberg. Jetzt griff er nach der Zeitung. Er hatte eine Frage, die er sofort beantwortet haben wollte. »Sie haben vielleicht gelesen, daß ein Kriminalbeamter getötet worden ist«, begann er.
Die Antwort kam, noch bevor Wallander seine Frage stellen konnte.
»Er war vor ungefähr einem Monat hier.«
»Bei Ihnen oder bei der Familie Edengren?«
»Zuerst bei ihnen. Dann bei uns. Genau wie Sie.«
»Waren die Eltern damals auch schon verreist?«
»Nein.«
»Er hat also Isas Eltern getroffen?«
»Wir wissen ja nicht, mit wem er gesprochen hat«, meinte der Mann. »Aber verreist waren sie auf jeden Fall nicht.«
»Warum kam er hierher? Zu Ihnen? Wonach hat er gefragt?«
Die Frau mit dem singenden Göteborgdialekt setzte sich an den Tisch. »Er hat nach den Festen gefragt«, sagte sie. »Den Festen, die Isa gefeiert hat, wenn ihre Eltern weg waren. Bevor sie das Mädchen ausgeschlossen haben.«
»Das war das einzige, wofür er sich interessiert hat«, fügte der Mann hinzu.
Wallander hörte mit geschärfter Wachsamkeit zu. Jetzt hatte er |167| eine Möglichkeit, Svedbergs wunderliches Agieren während des Sommers zumindest teilweise zu verstehen.
»Ich bitte Sie, zu versuchen, sich genau zu erinnern, wonach er gefragt hat.«
»Ein Monat ist eine lange Zeit«, erwiderte sie.
»Aber Sie haben hier in der Küche gesessen?«
»Ja.«
»Und ich nehme an, Sie haben Kaffee getrunken?«
Die Frau lächelte. »Er sagte, mein Kuchen schmecke ihm.«
Wallander ging vorsichtig vor. »Es muß also kurz nach Mittsommer gewesen sein?«
Der Mann und die Frau blickten sich an. Wallander sah, daß beide Halt an der Erinnerung des andern suchten.
»Es muß an einem der ersten Tage im Juli gewesen sein«, sagte die Frau. »Da bin ich mir sicher.«
»Nein. Er kam Ende Juni. Zuerst besuchte er Edengrens. Und danach kam er hierher.«
»Isa kam mit ihm. Aber sie war krank.«
»Was hatte sie?«
»Sie hatte eine Woche mit einer Magengeschichte im Bett gelegen. Sie war ganz blaß.«
»Isa war also auch hier in der Küche?«
»Sie zeigte ihm nur den Weg. Dann ging sie wieder nach Hause.«
»Und dann hat er Sie nach den Festen gefragt?«
»Ja.«
»Und was hat er gefragt?«
»Ob wir welche von denen kannten, die daran teilnahmen. Aber das war
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