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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Unruhe trieb ihn.
    Kurz vor Mitternacht verließ er das Polizeipräsidium.
    In der Tasche hatte er die Dietriche, die er normalerweise in seiner untersten Schreibtischschublade aufbewahrte.
     
    Er brauchte zehn Minuten bis zur Apelbergsgatan. Ein schwacher Wind wehte, es war ein paar Grad über Null. Der Himmel war bewölkt. Die Straßen waren menschenleer. Ein paar schwere Lastzüge fuhren auf ihrem Weg zur Polenfähre an ihm vorbei. Mitternacht. Genau um diese Zeit war Tynnes Falk gestorben, dachte Wallander. Die Uhrzeit hatte auf dem blutbefleckten Kontoauszug gestanden, den er in der Hand gehalten hatte.
    Wallander blieb im Schatten stehen und betrachtete das Haus mit der Adresse Apelbergsgatan 10.   Das oberste Stockwerk war dunkel. Dort hatte Falk gewohnt. In der Etage darunter brannte auch kein Licht. Aber im ersten Stock war ein Fenster erleuchtet. Wallander lief es kalt den Rücken hinunter. Dort war er einmal so betrunken in den Armen einer fremden Frau eingeschlafen, daß er nachher nicht einmal gewußt hatte, wo er war.
    Er tastete nach den Dietrichen und zögerte. Was er jetzt tun wollte, war nicht nur ungesetzlich, sondern auch unnötig. Er konnte |152| bis zum Morgen warten und Schlüssel für die Wohnung besorgen. Aber seine innere Unruhe trieb ihn weiter. Und die respektierte er. Sie stellte sich nur ein, wenn seine Intuition ihm sagte, daß etwas eilte.
    Die Haustür war nicht verschlossen. Er hatte im Büro daran gedacht, eine Taschenlampe einzustecken. Das Treppenhaus war dunkel. Er horchte nach Geräuschen, bevor er vorsichtig die Treppe hinaufstieg. Er versuchte, sich an damals zu erinnern, als er hier gewesen war, in Begleitung der unbekannten Frau. Aber jede Erinnerung war verschwunden. Er erreichte den obersten Treppenabsatz. Es gab zwei Türen. Die rechte war Falks. Er horchte wieder, legte das Ohr an die linke Tür. Nichts. Dann steckte er die kleine Taschenlampe zwischen die Zähne und holte seine Dietriche heraus. Bei einer Sicherheitstür hätte er schon jetzt aufgeben müssen. Aber die Tür hatte nur ein gewöhnliches Patentschloß. Das paßt nicht zu dem, was seine Frau gesagt hat, dachte Wallander. Daß Falk beunruhigt gewesen sei und Feinde gehabt habe. Sie muß sich das eingebildet haben.
    Er brauchte länger als erwartet, um die Tür zu öffnen. Vielleicht fehlte ihm nicht nur das Waffentraining. Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Seine Finger kamen ihm ungeschickt vor, die Dietriche ungewohnt. Aber schließlich bekam er das Schloß auf. Vorsichtig öffnete er die Tür und horchte. Einen Augenblick glaubte er Atemzüge zu hören, die ihm aus dem Dunkeln entgegenkamen. Dann waren sie fort. Er trat in den Flur und schloß die Tür leise hinter sich.
    Das erste, was ihm auffiel, wenn er eine fremde Wohnung betrat, war immer der Geruch. Aber hier im Flur roch es nach gar nichts. Als sei die Wohnung neu gebaut und noch nicht bewohnt. Er prägte sich das Gefühl ein und begann, vorsichtig und mit der Taschenlampe in der Hand, durch die Wohnung zu gehen, jeden Moment gewärtig, daß trotz allem jemand dasein könnte. Als er sicher war, allein zu sein, stieg er aus den Schuhen und zog alle Gardinen zu, bevor er Licht machte.
    Wallander befand sich im Schlafzimmer, als das Telefon klingelte. Er fuhr zusammen. Ein zweites Klingeln. Er hielt den Atem an. Dann schaltete sich in der Dunkelheit des Wohnzimmers ein |153| Anrufbeantworter ein, und er hastete hinüber. Aber niemand sprach eine Nachricht aufs Band. Irgendwo wurde aufgelegt. Wer hatte angerufen? Mitten in der Nacht bei einem Toten?
    Wallander trat an eins der Fenster, das auf die Straße hinausging. Er schaute vorsichtig durch den Spalt in der Gardine. Die Straße war verlassen. Er versuchte, mit dem Blick die Dunkelheit der Schatten zu durchdringen. Aber er sah niemanden.
    Er begann mit dem Wohnzimmer, nachdem er eine Schreibtischlampe angeknipst hatte. Er stellte sich in die Mitte des Raumes und schaute sich um. Hier hat ein Mann namens Tynnes Falk gewohnt, dachte er. Die Erzählung, die von ihm handelt, beginnt mit einem aufgeräumten Wohnzimmer, in dem alles in bester Ordnung zu sein scheint, so fern jeder Art von Chaos, wie ein Raum nur sein kann. Ledergarnitur, Seestücke an den Wänden. An einer Wand ein Bücherregal.
    Er trat an den Schreibtisch. Da stand ein alter Messingkompaß. Die grüne Schreibunterlage war leer. Neben einer antiken Öllampe aus Ton Bleistifte und Kugelschreiber in penibler Ordnung.
    Wallander

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