Wallander 08 - Die Brandmauer
wirklich gesagt?«
»Ja.«
»Ohne eine Erklärung zu geben?«
»Ja.«
»Haben Sie denn nicht gefragt, was er damit meinte?«
»Wenn ich ihn fragte, wurde er aufbrausend und sagte, ich solle still sein.«
Wallander überlegte, bevor er fortfuhr. »Lassen Sie uns über Ihre beiden Kinder sprechen.«
»Sie wissen natürlich, daß er tot ist.«
»Glauben Sie, daß eins von ihnen ihn ähnlich erlebt hat wie Sie? Daß er beunruhigt war? Und angefangen hatte, von Feinden zu sprechen?«
»Das bezweifle ich. Sie hatten sehr wenig Kontakt miteinander. Einerseits lebten sie bei mir. Anderseits war Tynnes nicht sonderlich erbaut davon, wenn sie ihn zu häufig besuchten. Ich sage das nicht, um ihn schlechtzumachen. Das können Jan und Ina bestätigen.«
»Er muß aber doch Freunde gehabt haben.«
»Sehr wenige. Ich merkte mit der Zeit, daß ich einen Eigenbrötler geheiratet hatte.«
»Wer kannte ihn außer Ihnen?«
»Ich weiß, daß er eine Frau zu treffen pflegte, die auch Computerberaterin |192| ist. Sie heißt Siv Eriksson. Ihre Telefonnummer habe ich nicht. Aber ihr Büro liegt unten in Skansgränd. Direkt bei der Sjömansgata. Sie haben ein paar Aufträge gemeinsam ausgeführt.«
Wallander notierte sich den Namen. Marianne Falk drückte ihre Zigarette aus.
»Eine letzte Frage noch«, sagte Wallander. »Vorläufig jedenfalls. Vor ein paar Jahren wurde Tynnes Falk von der Polizei gefaßt, als er Nerze freigelassen hat. Er bekam eine Geldstrafe.«
Sie betrachtete ihn mit einer Verwunderung, die ganz und gar echt zu sein schien. »Davon habe ich nie etwas gehört.«
»Aber Sie können es verstehen?«
»Daß er Nerze freiließ? Warum in aller Welt hätte er das tun sollen?«
»Sie wissen nicht, ob er Kontakt zu Organisationen hatte, die sich mit so etwas beschäftigen?«
»Was sollten das für Organisationen sein?«
»Militante Umweltschützer. Tierfreunde.«
»Es fällt mir sehr schwer, das alles zu glauben.«
Wallander nickte. Er wußte, daß sie die Wahrheit sagte. Sie stand auf.
»Ich werde wohl noch einmal mit Ihnen sprechen müssen«, sagte Wallander.
»Mein Exmann hat mir einen großzügigen Unterhalt gezahlt, als wir uns scheiden ließen. Das bedeutet, daß ich um das, was ich am meisten verabscheue, herumgekommen bin.«
»Und was ist das?«
»Zu arbeiten. Ich verbringe meine Tage mit Bücherlesen. Und ich sticke Rosen auf kleine Leinentücher.«
Wallander fragte sich, ob sie sich über ihn lustig machte. Aber er sagte nichts und brachte sie zur Tür.
Sie schaute auf das Loch in der Wand. »Schießen die Einbrecher jetzt schon auf Leute?«
»Es kommt vor.«
Sie betrachtete ihn von oben bis unten. »Und Sie haben keine Waffe bei sich, um sich zu verteidigen?«
»Nein.«
|193| Sie schüttelte den Kopf, reichte ihm die Hand und verabschiedete sich.
»Noch eins«, sagte Wallander. »Hat Tynnes sich für den Weltraum interessiert?«
»Was meinen Sie damit?«
»Raumschiffe, oder Astronomie.«
»Danach haben Sie schon einmal gefragt. Und ich kann Ihnen nur die gleiche Antwort geben. Daß er sehr selten den Kopf hob, um den Himmel anzusehen. Wenn er es einmal tat, dann sicher nur, um sich zu vergewissern, daß die Sterne wirklich noch da waren. Er war gänzlich unromantisch veranlagt.«
Sie blieb auf der Treppe stehen. »Wer repariert die Tür?«
»Gibt es keinen Hausverwalter?«
»Danach dürfen Sie nicht mich fragen.«
Sie ging die Treppe hinunter. Wallander kehrte in die Wohnung zurück. Er setzte sich auf den Küchenstuhl. Genau hier hatte er zum erstenmal das Gefühl gehabt, etwas zu übersehen. Rydberg hatte ihm beigebracht, immer seinem inneren Warnsystem zu vertrauen. In der technisierten und rationalisierten Welt, in der Polizisten lebten und leben mußten, besaß trotz allem das Intuitive ein natürliches und entscheidendes Gewicht.
Ein paar Minuten blieb er reglos sitzen. Dann kam er darauf. Wieder einmal galt es, eine radikal andere Perspektive einzunehmen, um den Dingen neue Seiten abzugewinnen. Marianne Falk hatte nicht sehen können, ob etwas fehlte. Konnte das bedeuten, daß der Mann, der eingebrochen war und auf Wallander geschossen hatte, in Wirklichkeit gekommen war, um etwas zu hinterlassen? Wallander schüttelte den Kopf über seine eigenen Gedanken. Er wollte gerade aufstehen, als er zusammenfuhr. Jemand hatte an die Tür geklopft. Wallander spürte, wie sein Herz hämmerte. Erst als das Klopfen sich wiederholte, ging ihm auf, daß es sich kaum um jemanden handeln
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