Wallander 09 - Der Feind im Schatten
sich Zugang zu seinem Haus verschafft hatte, einen anderen Grund gehabt haben, der nicht notwendigerweise mit Håkan und Louise von Enke zu tun hatte. Doch was für ein Grund hätte das sein können? Wallander hatte gleich nach dem Aufstehen am Morgen das Haus gründlich untersucht. Eins der Fenster auf der Ostseite, in dem Zimmer, in dem ein nie benutztes Gästebett stand, war angelehnt. Er wusste mit Sicherheit, dass er es nicht offen gelassen hatte. Ein Dieb konnte ohne weiteres dort eingedrungen und auf demselben Weg wieder verschwunden sein. Aber warum hatte er nichts mitgenommen? Nichts fehlte, davon war Wallander jetzt überzeugt. Er sah nur zwei denkbare Möglichkeiten. Entweder hatte der Dieb nicht gefunden, was er suchte, oder er hatte etwas dalassen wollen. Deshalb versuchte Wallander, nicht nur nachzusehen, ob etwas fehlte, sondern ebenso gründlich zu prüfen, ob ihm etwas auffiel, was vorher nicht da gewesen war. Er kroch herum und sah unter Stühlen, Betten und Sofas nach, drehte Bilder um und suchte zwischen seinen Büchern. Nach fast einer Stunde, kurz bevor Nordlander anrief, brach er die Suche ergebnislos ab. Er überlegte, ob er mit Nyberg, dem technischen Experten derPolizei in Ystad, reden und ihn bitten sollte, nach versteckten Mikrofonen zu suchen. Aber er verwarf die Idee. Es würde nur zu Fragen und Gerede führen.
Sten Nordlander rief an. Er erzählte, dass er mit einer Tasse Kaffee in einem Gartencafé in Sandhamn sitze. »Ich bin auf dem Weg nach Norden«, sagte er. »Ein Urlaubstörn, der bis Härnösand hinaufführt, dann hinüber zur finnischen Küste und von dort über die Ålandsinseln zurück. Zwei Wochen allein mit Wind und Wellen.«
»Ein Seemann bekommt die See also niemals satt?«
»Nie. Was hast du gefunden?«
Wallander beschrieb den Stahlzylinder bis ins Detail. Mit einem Zollstock – dem alten farbenbeklecksten von seinem Vater – hatte er die exakte Länge gemessen, mit einer Schnur den Umfang.
»Wo hast du ihn gefunden?«, fragte Sten Nordlander, nachdem Wallander geendet hatte.
»In Håkans und Louises Keller«, log Wallander. »Weißt du, was es ist?«
»Nein. Ich weiß nicht, was es sein kann. Aber ich denke darüber nach. In ihrem Keller?«
»Ja. Hast du so etwas nie gesehen?«
»Zylinder haben aerodynamische und marine Eigenschaften, die sie vielseitig anwendbar machen. Aber an einen solchen Gegenstand kann ich mich auf Anhieb nicht erinnern. Hast du die Kabel geöffnet?«
»Nein.«
»Dann tu das. Es verrät vielleicht ein bisschen mehr.«
Wallander suchte ein Teppichmesser und schnitt vorsichtig eine der schwarzen Ummantelungen auf. Dabei legte er noch dünnere, beinahe fadenähnliche Drähte frei. Er beschrieb, was er gefunden hatte.
»Dann sind es wohl keine stromführenden Kabel«, sagte Sten Nordlander. »Es hört sich eher nach Kommunikationstechnikan. Aber was es eigentlich ist, im Einzelnen, kann ich nicht sagen. Ich muss darüber nachdenken.«
»Lass mich wissen, wenn du auf etwas gekommen bist«, sagte Wallander.
»Komisch, dass nirgendwo steht, wo er hergestellt ist. Seriennummer und Herstellungsort werden ja in der Regel in den Stahl gepresst. Man kann sich fragen, wieso er zu Hause bei Håkan lag, und woher er ihn hatte.«
Wallander sah auf der Uhr, dass es Zeit war, ins Präsidium zu fahren, wenn er nicht zu spät kommen wollte. Am Ende ihres Gesprächs beschrieb Sten Nordlander voller Abscheu eine Luxusjacht, die soeben in den Hafen einlief.
Die Sitzung über die Motorradbande dauerte fast zwei Stunden. Wallander geriet ins Schwitzen über Lennart Mattsons Unvermögen, die Diskussion voranzutreiben und zu Schlussfolgerungen zu gelangen. Schließlich wurde er so ungeduldig, dass er Mattson unterbrach und sagte, es müsse doch möglich sein, den Hauskauf zu unterbinden, indem man sich direkt an den Hausbesitzer wende. Wenn das geschehen sei, könne man damit fortfahren, Strategien zu entwickeln, um die Aktivitäten der Motorradbande zu stören. Aber Mattson ließ sich nicht beeindrucken und schwafelte weiter. Wallander hatte jedoch noch eine wichtige Karte in der Hinterhand, die keiner im Raum kannte. Er hatte die Information von Linda bekommen, die sie ihrerseits von einem Kollegen in Stockholm gehört hatte.
Er bat ums Wort und erklärte den Sachverhalt. »Wir haben hier ein Problem«, begann er. »Es gibt einen berüchtigten Arzt, der es neben seinen sonstigen merkwürdigen Verdiensten geschafft hat, nicht weniger als vierzehn
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