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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Sein hoher Zuckerwert war eine Herausforderung. Er musste sich mehr bewegen. Auf halbem Weg war er von einem starken Schauer überrascht worden. Er hängte die nasse Hose auf und nahm eine neue aus seinem Spind. Als er sie anzog, merkte er, dass er zugenommen hatte. Wütend knallte er den Spind zu, genau in dem Moment, als Nyberg eintrat. Fragend betrachtete er Wallander. »Schlechte Laune?«
    »Nasse Hosen.«
    Nyberg nickte und antwortete mit der ihm eigenen Mischung aus Heiterkeit und Düsterkeit. »Ich verstehe genau, was du meinst. Wir können es alle ertragen, wenn die Füße nass werden. Aber die Hosen sind schlimmer. Es ist, als hätte man in die Hose gepisst. Es entsteht eine angenehme, aber schnell vorübergehende Wärme.«
    Wallander setzte sich in sein Zimmer und rief Ytterberg an, der nicht im Hause war und keine Mitteilung hinterlassen hatte, wann er zurück wäre. Wallander hatte ihn schon vergeblich auf seinem Handy zu erreichen versucht. Auf dem Weg zum Kaffeeautomaten stieß er mit Martinsson zusammen, der an die frische Luft wollte. Sie gingen nach draußen und setzten sich vor das Präsidium. Martinsson erzählte von einem Brandstifter, der noch nicht gefasst war.
    »Kriegen wir ihn diesmal?«, fragte Wallander.
    »Wir kriegen ihn immer«, sagte Martinsson. »Die Frage ist nur, ob wir ihn behalten. Aber wir haben einen Zeugen, an den ich glaube. Diesmal ist es wirklich möglich, dass wir ihn einbuchten können.«
    Sie gingen zurück, jeder in sein Zimmer. Wallander blieb noch ein paar Stunden. Dann fuhr er nach Hause, ohne Ytterberg erreicht zu haben. Aber er hatte die wichtigsten Punkte notiert und wollte versuchen, ihn am Abend zu kontaktieren. Schließlich leitete ja Ytterberg die Ermittlung. Wallander würde ihm das Material geben, den schwarzen Ordner und den Stahlzylinder. Dann musste Ytterberg die notwendigen und die möglichen Schlussfolgerungen ziehen. Wallander selbst hatte mit dem Fall nichts zu tun, er war nur der Vater seiner Tochter, und es gefiel ihm nicht, dass ihre zukünftigen Schwiegereltern spurlos verschwunden waren. Jetzt wollte Wallander sich darauf einstellen, Mittsommer zu feiern und anschließend Urlaub zu machen.
     
    Aber es kam anders. Vor seinem Haus stand ein fremdes Auto, ein ziemlich mitgenommener Ford mit starken Rostschäden an den Vordertüren. Wallander kannte den Wagen nicht. Er überlegte, wem er gehören könnte, bevor er den Hof betrat. Auf dem weißen Gartenstuhl, auf dem Wallander am Abend zuvor eingeschlafen war, saß eine Frau.
    Auf dem Tisch vor ihr stand eine geöffnete Flasche Wein. Wallander konnte kein Glas entdecken.
    Voller Widerwillen trat er zu ihr und begrüßte sie.

 
17
     
    Es war Mona, seine geschiedene Frau. Sie hatten sich zuletzt gesehen, als Linda ihre Polizeiausbildung abgeschlossen hatte, ganz kurz nur, und seitdem waren mehrere Jahre vergangen. Danach hatten sie gelegentlich miteinander telefoniert, denkbar knappe Gespräche, das war alles.
    Spät an diesem Abend, als Mona im Schlafzimmer eingeschlafen war und er selbst – zum ersten Mal überhaupt – das Bett im Gästezimmer gemacht hatte, fühlte er sich elend. Monas Stimmungslage hatte ständig gewechselt, und sie hatte mehrere Gefühlsausbrüche gehabt, sentimentale und bösartige, mit denen er nicht umgehen konnte. Sie war schon bei seiner Heimkehr stark angetrunken gewesen. Als sie aufstand, um ihn zu umarmen, hatte sie geschwankt und wäre gefallen, wenn er sie nicht im letzten Moment gehalten hätte. Sie war angespannt und nervös und viel zu stark geschminkt. Das Mädchen, dem Wallander vor vierzig Jahren begegnet war und in das er sich verliebt hatte, war nahezu ungeschminkt gewesen und hatte es nicht nötig gehabt, sich hübsch zu machen.
    Sie war an diesem Abend gekommen, weil sie verletzt war, jemand hatte ihr so wehgetan, dass sie nur noch ihn hatte, zu dem sie gehen konnte. Wallander hatte sich im Garten neben sie gesetzt, Schwalben waren um ihre Köpfe geflogen, und er hatte das eigentümliche Gefühl gehabt, eine vergangene Zeit sei zurückgekehrt. Von irgendwoher würde gleich eine fünfjährige Linda angehüpft kommen und ihre Aufmerksamkeit verlangen. Aber er konnte nur ein paar armselige Worte zur Begrüßung sagen, da brach sieschon in heftiges Weinen aus. Das machte ihn verlegen. So war es in ihrer letzten gemeinsamen Zeit auch gewesen. Er hatte lange an die Echtheit ihrer Gefühlausbrüche geglaubt. Sie aber wurde mehr und mehr zu einer Art Schauspielerin,

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