Wallander 10 - Wallanders erster Fall
nach.
»Nein«, sagte er dann. »Aber wenn nur das geringste bißchen an diesen Gerüchten dran ist, dann würde ich wissen, wer der Mann war.«
»Wäre es denkbar, daß du aus irgendeinem Grund nichts von ihm weißt?«
»Nein«, erwiderte Peter Linder. »Das ist absolut undenkbar.«
»Du bist mit anderen Worten allwissend?«
»Über das, was sich in der illegalen Spielwelt in Südschweden abspielt, weiß ich alles. Außerdem kenne ich mich ein wenig in der klassischen Philosophie und mit maurischer Architektur aus. Aber darüber hinaus weiß ich von nichts.«
Wallander protestierte nicht. Er wußte, daß Peter Linder einst eine erstaunlich steile Karriere an der Universität gemacht hatte. Dann, eines Tages, hatte er ohne Vorwarnung dem akademischen Leben den Rücken gekehrt und sich innerhalb kürzester Zeit als Spielklubbesitzer etabliert.
Wallander trank seinen Kaffee aus. »Wenn du etwas hören solltest, wäre ich dankbar für einen deiner anonymen Briefe«, sagte er.
»Ich höre mich mal in Kopenhagen um«, meinte Peter Linder. »Aber ich bezweifle, daß ich etwas finde, was ich dir anbieten könnte.«
Wallander nickte. Er stand schnell auf. Peter Linder die Hand zu geben, war mehr, als er sich vorstellen konnte.
Gegen zehn Uhr war Wallander zurück im Polizeipräsidium. Ein paar Polizisten tranken in der Frühlingswärme vor dem Gebäude Kaffee. Wallander schaute zu Svedberg hinein. Er war nicht da. Hansson ebenfalls nicht.
Nur Martinsson saß unverdrossen vor seinem Bildschirm.
»Wie lief es in Malmö?« fragte er.
|243| »Die Gerüchte haben sich leider nicht bestätigt«, antwortete Wallander.
»Leider?«
»Sie hätten uns ein Motiv geliefert. Spielschulden. Geldeintreiber. Alles, was wir brauchen.«
»Svedberg hat über das Handelsregister herausgefunden, daß Mark-Reisen nicht mehr existieren. Die Firma hat vor fünf Jahren mit einem anderen Unternehmen fusioniert. Vor ein oder zwei Jahren mußte dieses dann Konkurs anmelden. Er meint, es wäre unmöglich, alte Teilnehmerlisten aufzutreiben. Aber er hält es für denkbar, den damaligen Busfahrer zu finden. Falls er noch lebt.«
»Womit beschäftigen sich Hansson und er zur Zeit?«
»Svedberg gräbt in Lambergs Finanzen. Hansson redet mit den Nachbarn. Und Nyberg macht einen Techniker zur Schnecke, dem ein Fußabdruck abhanden gekommen ist.«
»Wie kann einem denn ein Fußabdruck abhanden kommen?«
»Man kann doch auch ein Gesangbuch in einem Garten verlieren.«
Martinsson hat recht, dachte Wallander. Verlieren kann man alles.
»Sind irgendwelche Hinweise eingegangen?« fragte er dann.
»Nichts außer der Familie Simovic mit dem Gesangbuch. Und eine Reihe von Hinweisen, die wir sofort abschreiben konnten. Aber vielleicht kommen ja noch mehr. Die Leute brauchen immer ein bißchen Zeit.«
»Bankdirektor Backman?«
»Zuverlässig. Aber er hat nicht mehr gesehen, als wir schon wußten.«
»Und die Putzhilfe? Hilda Waldén?«
»Auch von ihr haben wir nichts Neues erfahren.«
Wallander lehnte sich an den Türrahmen. »Wer zum Teufel hat ihn umgebracht? Was kann er für ein Motiv gehabt haben?«
»Wer stellt im Radio einen anderen Sender ein?« fragte Martinsson. »Und wer läuft mitten in der Nacht mit einem Gesangbuch in der Tasche in der Stadt herum?«
Die Fragen blieben bis auf weiteres unbeantwortet. Wallander ging in sein Zimmer. Er fühlte sich rastlos und unzufrieden. Die |244| Begegnung mit Peter Linder hatte zu nichts weiter geführt, als daß sie die Hoffnung aufgeben konnten, irgendwo in der illegalen Welt der Zocker eine Lösung zu finden. Was blieb dann noch?
Wallander setzte sich an den Schreibtisch und versuchte, eine neue Zusammenfassung zu erstellen. Er brauchte über eine Stunde. Dann las er durch, was er geschrieben hatte. Mehr und mehr neigte er zu der Auffassung, daß der Mann, der Lamberg getötet hatte, in den Laden hereingelassen worden war. Mit Sicherheit war es jemand gewesen, den Lamberg gekannt und zu dem er Vertrauen gehabt hatte. Jemand, von dem wahrscheinlich nicht einmal Elisabeth Lamberg wußte.
Er wurde in seinen Gedanken dadurch unterbrochen, daß Svedberg an die Tür klopfte. »Rate mal, wo ich gewesen bin«, sagte er. Wallander schüttelte den Kopf. Er war nicht in der Stimmung für Ratespiele.
»Matilda Lamberg lebt in einem Pflegeheim außerhalb von Rydsgård«, sagte Svedberg. »Und weil es so nah war, dachte ich, daß ich ebensogut gleich hinfahren könnte.«
»Du hast Matilda also
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