Wallander 10 - Wallanders erster Fall
entscheidend verändert hatte.
Während der Fahrt blickte Wallander über die Landschaft. Er |240| fragte sich, was an dem Bild von Lamberg er nicht durchschaute. Die ganze Gestalt hatte etwas Unscharfes. Sein Leben und sein Charakter waren seltsam flüchtig.
Wallander kam kurz vor acht in Malmö an. Er fuhr direkt in das Parkhaus hinter dem Hotel Savoy. Dann ging er durch den Haupteingang hinein. Er steuerte den Speisesaal an.
Der Mann, den er suchte, saß allein an einem Tisch im hinteren Teil des Raumes. Er war in eine Morgenzeitung vertieft. Wallander trat an den Tisch. Der Mann fuhr zusammen und blickte auf. »Kurt Wallander«, sagte er. »Bist du so hungrig, daß du nach Malmö fahren mußt, um zu frühstücken?«
»Deine Logik ist wie üblich sonderbar«, erwiderte Wallander und setzte sich. Er goß sich eine Tasse Kaffee ein. Gleichzeitig dachte er daran, wie er Peter Linder kennengelernt hatte, den Mann, dem er jetzt gegenübersaß. Es war vor mehr als zehn Jahren gewesen, Mitte der siebziger Jahre. Wallander hatte damals gerade in Ystad angefangen. Sie hatten einen illegalen Spielklub ausgehoben, der auf einem einsam gelegenen Hof in der Nähe von Hedeskoga eingerichtet worden war. Es war für alle offensichtlich gewesen, daß Peter Linder die Fäden des Unternehmens in der Hand hielt. Die großen Gewinne waren bei ihm gelandet. Aber im Prozeß war Linder freigesprochen worden. Eine ganze Meute von Verteidigern hatte es geschafft, die vom Staatsanwalt erhobene Anklage zu durchlöchern, und Linder hatte den Gerichtssaal als freier Mann verlassen.
Einige Tage nach dem Freispruch war er überraschend ins Polizeipräsidium gekommen und wollte mit Wallander sprechen. Er hatte sich über die Behandlung beklagt, die ihm seitens des schwedischen Rechtswesens zuteil geworden war. Wallander war aus der Haut gefahren. »Alle wissen, daß du dahintersteckst«, hatte er gesagt.
»Natürlich tu ich das«, hatte Peter Linder geantwortet. »Aber der Staatsanwalt konnte es mir nicht nachweisen. Und das alles bedeutet nicht, daß ich mein Recht verwirkt habe, mich über schlechte Behandlung zu beschweren.«
Peter Linders Frechheit machte Wallander sprachlos. Für ein paar Jahre war Linder aus Wallanders Leben verschwunden. Aber |241| eines Tages war ein anonymer Brief an Wallander eingegangen, der Tips über einen anderen Spielklub in Ystad enthielt. Diesmal hatten sie die Hintermänner verurteilen können. Wallander hatte die ganze Zeit über gewußt, daß Peter Linder der Verfasser des anonymen Briefs war. Weil er bei seinem damaligen Besuch aus irgendeinem Grund hatte verlauten lassen, daß er »immer im Savoy frühstücke«, hatte Wallander ihn hier aufgesucht.
»Ich lese in den Zeitungen davon, daß Fotografen in Ystad gefährlich leben«, sagte Peter Linder.
»Nicht gefährlicher als sonstwo.«
»Und die Spielklubs?«
»Ich gehe davon aus, daß wir davon gegenwärtig befreit sind.«
Peter Linder lächelte. Seine Augen waren sehr blau.
»Ich sollte vielleicht überlegen, ob ich mich wieder in der Gegend von Ystad etabliere. Was hältst du davon?«
»Was ich davon halte, kannst du dir denken«, erwiderte Wallander. »Und wenn du einmal zurückkommen solltest, lochen wir dich ein.«
Peter Linder schüttelte den Kopf. Er lächelte erneut.
Es ärgerte Wallander, aber er ließ es sich nicht anmerken. »Ich bin tatsächlich hier, um mit dir über den ermordeten Fotografen zu sprechen.«
»Ich gehe ausschließlich zu einem Fotografen hier in Malmö. Er machte schon Bilder in der Zeit des alten Königs. Ein ausgezeichneter Mann.«
»Du brauchst lediglich meine Fragen zu beantworten«, unterbrach Wallander.
»Ist das ein Verhör?«
»Nein, aber ich bin dumm genug, zu glauben, daß du mir vielleicht helfen kannst. Und noch dümmer, indem ich sogar davon ausgehe, daß du es tun wirst.«
Peter Linder breitete einladend die Arme aus.
»Simon Lamberg«, fuhr Wallander fort. »Der Fotograf. Es ist das Gerücht in Umlauf, er sei ein Spieler gewesen. Der große Summen setzen würde. Illegal natürlich. Hier wie in Kopenhagen. Außerdem soll er Kredite aufgenommen haben, die er nicht zurückzahlen konnte. Ein Mann tief in der Schuldenfalle.«
|242| »Damit ein Gerücht interessant wird, muß es zu mindestens fünfzig Prozent aus Wahrheit bestehen«, sagte Peter Linder philosophisch. »Tut es das?«
»Ich habe gehofft, darauf könntest du mir antworten. Hast du von ihm reden hören?«
Peter Linder dachte
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