Wallander 10 - Wallanders erster Fall
nicht einmal sicher, ob der Pastor |258| überhaupt bemerkt hat, was hinter seinem Rücken vorging. Auf mich machte er einen leicht weltfremden Eindruck. Aber die Situation während der Reise war ziemlich unangenehm.«
Wallander sah sich das Bild der Frau noch einmal genauer an. Plötzlich wußte er, wer sie war. »Wie hieß diese Pastorenfamilie?«
»Wislander. Er hieß Anders und sie Louise.«
Svedberg studierte die Teilnehmerliste und schrieb sich die Adresse auf.
Wir würden uns gern einige der Bilder ausleihen«, sagte Wallander. »Sie bekommen sie selbstverständlich zurück.«
Eklund nickte.
»Ich hoffe, ich habe nichts Falsches gesagt.«
»Im Gegenteil. Sie haben uns sehr geholfen.«
Sie bedankten sich für den Kaffee und verabschiedeten sich.
»Diese Frau paßt auf die Beschreibung der Frau, die Matilda Lamberg besucht«, sagte Wallander. »Ich brauche sofort die Bestätigung, daß es wirklich so ist. Warum sie Matilda besucht, weiß ich nicht. Aber das ist eine Frage für später.«
Sie hasteten zum Auto. Bevor sie losfuhren, rief Wallander in Ystad an und bekam mit einiger Mühe Martinsson an den Apparat. Er erklärte kurz, was geschehen war, und bat ihn herauszufinden, ob Anders Wislander noch Pastor in einer Gemeinde außerhalb von Lund war. Nachdem sie in Rynge fertig wären, würden sie so schnell wie möglich ins Präsidium kommen.
»Glaubst du, daß sie es gewesen ist?« fragte Svedberg, als sie Trelleborg verließen.
Wallander schwieg lange, bevor er antwortete.
»Nein«, sagte er dann. »Aber er könnte es gewesen sein.«
Svedberg warf ihm einen Blick zu.
»Ein Pastor?«
Wallander nickte.
»Warum nicht? Pastoren sind Pastoren, aber sie sind auch nur Menschen. Natürlich kann es ein Pastor gewesen sein. Gibt es im übrigen nicht viele Messinggegenstände in einer Kirche?«
Sie hielten kurz in Rynge. Die Leiterin konnte die Frau auf dem Bild, das Wallander ihr zeigte, sofort als die Unbekannte identifizieren, die Matilda hin und wieder besuchte.
|259| Dann fuhren sie ins Polizeipräsidium nach Ystad und gingen sofort zu Martinsson. Hansson war auch im Zimmer.
»Anders Wislander ist noch Pastor in der Nähe von Lund«, berichtete Martinsson. »Aber im Moment ist er krank geschrieben.«
»Warum das?« fragte Wallander.
»Aufgrund einer persönlichen Tragödie.«
Wallander sah ihn an.
»Was ist denn passiert?«
»Seine Frau ist vor gut einem Monat gestorben.«
Es wurde still im Raum.
Wallander hielt den Atem an. Er wußte nichts mit Bestimmtheit, dennoch fühlte er sich jetzt sicher. Sie würden die Lösung, oder zumindest einen Teil der Lösung, bei Pastor Anders Wislander in Lund finden. Er ahnte den Zusammenhang.
Wallander nahm seine Kollegen mit ins Sitzungszimmer. Von irgendwoher war auch Nyberg zu ihnen gestoßen.
Wallander legte ihnen seine Auffassung sehr entschieden dar. Bis auf weiteres würde alles übrige liegenbleiben. Jetzt galt es, sich ganz auf Anders Wislander und seine verstorbene Frau zu konzentrieren. Im Verlauf des Abends versuchten sie, soviel wie möglich über die beiden herauszufinden. Wallander hatte verlangt, daß sie vorsichtig vorgingen und so diskret wie möglich. Als Hansson vorgeschlagen hatte, Wislander noch am selben Abend aufzusuchen, hatte Wallander entschieden abgewinkt. Das hatte Zeit bis zum nächsten Tag. Jetzt würden sie dafür sorgen, daß sie so viele Informationen wie möglich in die Hände bekamen.
Svedberg gelang es mit Hilfe eines befreundeten Journalisten, einen Nachruf auf Louise Wislander aus
Sydsvenska Dagbladet
zu bekommen. Daraus ging hervor, daß sie siebenundvierzig Jahre alt war, als sie starb. Nach langem und geduldig ertragenem Leiden, wie es in dem Nachruf hieß. Sie diskutierten hin und her, was das bedeuten konnte. Sie hatte wohl kaum Selbstmord begangen. Vielleicht war es Krebs gewesen. In der Todesanzeige waren zwei Kinder unter den Trauernden aufgeführt.
Sie überlegten, ob sie schon jetzt Kontakt mit den Kollegen in Lund aufnehmen sollten. Wallander zögerte zunächst, kam dann aber zu der Meinung, daß es dafür noch zu früh sei.
|260| Es war nicht viel, was sie vollständig klären konnten. Eher handelte es sich darum, das, was sie schon wußten, durchzugehen und Anders und Louise Wislander als Raster über die bereits bekannten Umstände um Simon Lambergs Tod zu legen.
Kurz nach acht am Abend bat Wallander Nyberg, etwas zu tun, was normalerweise nicht in seinen Aufgabenbereich fiel. Er sollte
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