Wallander 10 - Wallanders erster Fall
er ins Polizeipräsidium zurück. Er fragte sich, ob sein Vater sich in seinem Hotel zurechtgefunden hatte. Und ob er selbst wegen unerlaubter Abwesenheit einen erneuten Rüffel von Björk bekommen würde. Um vier hatte er seine Kollegen im Sitzungszimmer versammelt. Sie gingen durch, was im Laufe des Tages geschehen war. Noch immer war das Material mager.
»Auffallend mager«, meinte Rydberg. »Da brennt mitten in Ystad ein Haus ab, und niemand hat irgend etwas Ungewöhnliches bemerkt.«
Svedberg und Hansson berichteten, was sie herausbekommen hatten. Keine der Schwestern war jemals verheiratet gewesen. Es gab eine Reihe entfernter Verwandter, Cousinen und Vettern zweiten Grades. Aber keiner von ihnen wohnte in Ystad. Das Handarbeitsgeschäft |323| hatte keinen aufsehenerregenden Gewinn ausgewiesen. Auch Bankkonten mit großen Beträgen hatten sie nicht gefunden. Hansson hatte ein Schließfach bei der Handelsbank entdeckt. Aber da die Schlüssel fehlten, war Per Åkeson gezwungen, einen Antrag zu stellen, um das Fach aufbrechen zu lassen. Hansson rechnete damit, daß das im Laufe des nächsten Tages geschehen würde.
Danach legte sich eine schwere Stille über den Raum.
»Es muß ein Motiv geben«, sagte Wallander. »Früher oder später werden wir es finden. Wir müssen nur Geduld haben.«
»Wer kannte die beiden Schwestern?« fragte Rydberg. »Sie müssen Freunde gehabt haben und ab und zu ein bißchen Freizeit, wenn sie nicht im Geschäft standen. Waren sie an irgendeiner Form von Vereinsleben beteiligt? Hatten sie ein Sommerhäuschen? Sind sie in Urlaub gefahren? Ich glaube immer noch, daß wir nur an der Oberfläche kratzen.«
Wallander merkte, daß Rydbergs Stimme gereizt klang. Er hat sicher starke Schmerzen, dachte Wallander schnell. Ich frage mich, was ihm eigentlich fehlt. Wenn es denn nicht nur das Rheuma ist.
Niemand hatte etwas gegen Rydbergs Einwurf einzuwenden. Die Arbeit mußte fortgeführt und vertieft werden.
Wallander blieb fast bis acht Uhr in seinem Zimmer. Er machte eine eigene Aufstellung aller Fakten, die sie zu den Schwestern Eberhardsson in der Hand hatten. Als er noch einmal durchlas, was er geschrieben hatte, sah er, wie wenig es tatsächlich war. Sie hatten nicht die geringste Spur.
Bevor er sein Büro verließ, rief er Martinsson zu Hause an, der ihm mitteilte, daß Holm noch immer nicht aufgetaucht war.
Wallander fuhr nach Hause. Es dauerte lange, bis sich der Motor in Gang hustete. Er beschloß wütend, einen Kredit aufzunehmen und sich so schnell wie möglich ein neues Auto zu kaufen.
Als er nach Hause kam, trug er sich in die Liste im Waschkeller ein und machte anschließend eine Dose mit Würstchen auf. Als er sich, den Teller auf den Knien balancierend, vor den Fernseher gesetzt hatte, klingelte das Telefon. Es war Emma. Sie fragte, ob sie vorbeikommen könne.
|324| »Heute abend nicht«, antwortete Wallander. »Du hast sicher von dem Brand und den beiden Schwestern gelesen. Wir arbeiten zur Zeit rund um die Uhr.«
Sie verstand. Als Wallander aufgelegt hatte, fragte er sich, warum er ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte. Daß er nicht mehr mit ihr zusammensein wollte. Obwohl es unverzeihlich feige gewesen wäre, das am Telefon zu tun. Er würde sich wohl die Mühe machen müssen, einmal abends zu ihr zu fahren. Er versprach sich selbst, das sofort zu tun, wenn er Zeit hätte.
Er aß die inzwischen kalten Würstchen. Mittlerweile war es neun Uhr.
Das Telefon klingelte wieder. Ärgerlich stellte Wallander den Teller hin und nahm ab.
Es war Nyberg. Er war noch immer an der Brandstelle und rief von einem Polizeiwagen aus an. »Ich glaube, jetzt haben wir was gefunden«, sagte er. »Einen Safe. Von der exklusiven Sorte, der sehr großer Hitze widersteht.«
»Warum habt ihr den nicht früher gefunden?«
»Gute Frage«, antwortete Nyberg, ohne beleidigt zu klingen. »Aber der Safe war im Fundament des Hauses versenkt. Unter all dem Schlamm haben wir eine hitzeisolierte Luke gefunden. Als wir sie aufgebrochen haben, ist ein Hohlraum zum Vorschein gekommen. Und darin stand der Safe.«
»Habt ihr ihn aufgemacht?«
»Womit denn? Schlüssel gibt es ja keine. Das Ding hier wird nicht leicht zu knacken sein.«
Wallander sah auf die Uhr. Zehn nach neun. »Ich komme«, sagte er. »Vielleicht hast du da den Ansatzpunkt gefunden, nach dem wir gesucht haben.«
Als Wallander losfahren wollte, bekam er seinen Wagen nicht in Gang. Er gab auf und ging zu Fuß bis zur
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