Wallander 10 - Wallanders erster Fall
immer abgewechselt. Vielleicht brauchten sie zuweilen Abstand voneinander.«
»Spanien? Was sagen die Gerüchte noch? Und woher kommen sie?«
»Das weiß ich nicht mehr. Ich höre normalerweise nicht auf Gerüchte. Vielleicht war es Marbella. Aber ich bin mir nicht sicher.«
Wallander fragte sich, ob Tyra Olofsson wirklich so wenig an Gerüchten und Tratsch interessiert war, wie sie ihn glauben machen wollte. Er hatte nur noch eine Frage. »Wer, glauben Sie, kannte Emilia am besten?«
»Ich vermute, ihre Schwester.«
Wallander bedankte sich und ging zurück zum Polizeipräsidium. Der Wind hatte aufgefrischt. Er dachte über Tyra Olofssons Worte nach. In ihrer Stimme hatte keine Bosheit mitgeklungen. Sie war sehr sachlich gewesen. Aber ihre Charakterisierung von Emilia Eberhardsson war gnadenlos.
|334| Als Wallander im Polizeipräsidium ankam, erzählte Ebba, daß Rydberg ihn gesucht habe. Wallander ging direkt in sein Büro.
»Das Bild wird klarer«, sagte Rydberg. »Ich denke, wir holen die anderen und machen eine kleine Sitzung. Ich weiß, daß sie im Haus sind.«
»Was ist passiert?«
Rydberg wedelte mit ein paar Papieren.
»WPZ«, sagte er. »Und hier steht viel Interessantes drin.«
Es dauerte einen Augenblick, bis Wallander sich erinnerte, daß WPZ Wertpapierzentrale bedeutete. Wo unter anderem Aktienbesitz registriert wurde.
»Und ich habe in der Zwischenzeit herausgefunden, daß zumindest die eine der beiden Schwestern eine ausgesprochen unangenehme Person war«, sagte Wallander.
»Wundert mich absolut nicht«, gluckste Rydberg. »Reiche Menschen werden meistens so.«
»Reich?« fragte Wallander.
Aber Rydberg wartete mit der Antwort, bis alle im Sitzungszimmer versammelt waren. Dann wurde er um so deutlicher.
»Den Informationen der Wertpapierzentrale zufolge besaßen die Schwestern Eberhardsson Wertpapiere für annähernd zehn Millionen Kronen. Wie sie es geschafft haben, dafür keine Vermögenssteuer zu zahlen, ist ein Rätsel. Auch die Dividende scheinen sie nicht versteuert zu haben. Aber ich habe dem Finanzamt Dampf gemacht. Es sieht ganz danach aus, als sei Anna Eberhardsson in Spanien gemeldet gewesen. Aber was das angeht, habe ich noch keine klaren Informationen. Wie dem auch sei, sie besaßen ein beachtliches Aktienvermögen, sowohl in Schweden als auch im Ausland. Die Möglichkeiten der Wertpapierzentrale, Aktienbesitz im Ausland zu kontrollieren, sind natürlich minimal. Das ist auch nicht ihre Aufgabe. Aber die Schwestern haben mit Vorliebe Geld in die britische Waffen- und Flugzeugindustrie investiert. Und es scheint, als hätten sie ungemein viel Geschick und Risikobereitschaft an den Tag gelegt.«
Rydberg legte die Papiere auf den Tisch.
»Wir dürfen also nicht von der Möglichkeit absehen, daß wir nur die berühmte Spitze des ebenso berühmten Eisbergs vor uns |335| haben. Fünf Millionen in einem Safe und zehn Millionen in Aktien und Fonds. Das haben wir im Laufe weniger Stunden herausgefunden. Was geschieht, wenn wir noch eine Woche so weitermachen? Vielleicht steigt der Betrag auf hundert Millionen?«
Wallander berichtete von seinem Treffen mit Tyra Olofsson.
»Die Beschreibung der Schwester Anna ist auch nicht gnädig«, sagte Svedberg, als Wallander fertig war. »Ich habe mit dem Mann gesprochen, der den Schwestern vor ungefähr fünf Jahren das Haus verkauft hat. Als der Immobilienmarkt anfing zu wackeln. Davor waren sie nur Mieter. Offensichtlich war Anna diejenige, die verhandelte. Emilia habe sich nie gezeigt. Und der Mann sagte, Anna sei die anstrengendste Klientin gewesen, die er jemals gehabt habe. Außerdem war es ihr offenbar gelungen, herauszubekommen, daß seine Immobilienfirma sich gerade in einer Krise befand, in Hinsicht auf die Solidität ebenso wie auf die Liquidität. Er meinte, sie sei vollkommen eiskalt gewesen und habe ihn mehr oder weniger erpreßt.«
Svedberg schüttelte den Kopf.
»Das ist nicht gerade das Bild, das man von zwei alten Tanten hat, die Knöpfe verkaufen«, schloß er, und es wurde still im Raum.
Schließlich brach Wallander die Stille. »In gewisser Weise ist das hier wieder ein Durchbruch«, begann er. »Wir haben noch immer keine Spur von dem, der sie getötet hat. Aber wir haben ein denkbares Motiv. Und es ist das gewöhnlichste aller Motive: Geld. Außerdem wissen wir, daß die Frauen Steuerhinterziehung begangen und dem Finanzamt große Summen vorenthalten haben. Wir wissen, daß sie reich waren. Es würde mich nicht
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