Wallander 10 - Wallanders erster Fall
Konsortium, das die Maschine für den Transport seiner Chefs zu verschiedenen |338| landwirtschaftlichen Anlagen im Lande einsetzte. Der offiziellen Erklärung zufolge ist die Maschine wegen Benzinmangels abgestürzt. Niemand scheint verletzt worden oder umgekommen zu sein. Aber das Flugzeug war Schrott und wurde aus allen aktuellen Listen gestrichen, auch von der Versicherungsgesellschaft, die offensichtlich eine Art Tochtergesellschaft von Lloyd’s war. Das alles hat die Kontrolle der Nummer auf dem Motor ergeben.«
»Aber es stimmte also nicht?«
»Die Herstellerfirma ist natürlich sehr an dem Fall interessiert. Es ist nicht gut für ihren Ruf, wenn ein Flugzeug, das es nicht mehr gibt, plötzlich wieder fliegt. Es kann sich also um einen Versicherungsbetrug handeln oder um etwas anderes, wovon wir keine Ahnung haben.«
»Und die Männer in der Maschine?«
»Wir warten immer noch darauf, daß sie identifiziert werden. Ich habe ein paar gute Kontakte zu Interpol. Sie haben versprochen, die Sache schnell anzugehen.«
»Von irgendwoher muß diese Maschine doch gekommen sein«, sagte Wallander.
Martinsson nickte. »Das stellt uns vor ein weiteres Problem. Wenn man ein Flugzeug mit Extratanks ausrüstet, kann es sehr weit fliegen. Nyberg hat den Verdacht, daß er möglicherweise die Reste eines Extratanks identifiziert hat. Aber wir wissen es noch nicht. Im Prinzip kann dieses Flugzeug also von überall her gekommen sein. Jedenfalls aus England und Mitteleuropa.«
»Aber es müßte bemerkt worden sein«, beharrte Wallander. »Man kann nicht einfach so über Landesgrenzen fliegen.«
»Das denke ich auch«, antwortete Martinsson. »Deshalb ist wohl die Vermutung angebracht, daß es aus Deutschland kam. Da fliegt man über das offene Meer, bis man die schwedische Küste erreicht.«
»Was sagen die deutschen Luftfahrtbehörden?«
»Das dauert«, antwortete Martinsson. »Aber ich bleibe dran.«
Wallander dachte nach. »Eigentlich wirst du bei dem Doppelmord gebraucht«, sagte er. »Kannst du einen Teil deiner Arbeit delegieren? Jedenfalls solange wir auf die Mitteilung warten, wer die Piloten waren und ob die Maschine aus Deutschland kam?«
|339| »Ich wollte gerade dasselbe vorschlagen«, sagte Martinsson.
»Bitte Hansson oder Svedberg, dich kurz auf den letzten Stand zu bringen«, sagte Wallander.
Martinsson stand auf.
»Hast du etwas von deinem Vater aus Ägypten gehört?«
»Er ruft nicht an, wenn es nicht unbedingt nötig ist.«
»Mein Vater ist mit fünfundfünfzig gestorben«, sagte Martinsson plötzlich. »Er hatte eine eigene Firma. Klempnerei. Er hat ununterbrochen gearbeitet, um den Laden in Gang zu bringen. Als es endlich von selbst lief, starb er. Wenn er noch lebte, wäre er jetzt erst siebenundsechzig.«
Martinsson ging. Wallander versuchte, den Gedanken an Rydberg beiseite zu schieben. Er ging noch einmal alles durch, was sie bis jetzt über die Schwestern Eberhardsson wußten. Sie hatten ein mögliches Motiv, Geld, aber keine Spur des Täters oder der Täter. Wallander schrieb ein paar Worte auf seinen Notizblock.
Das Doppelleben der Schwestern Eberhardsson?
Dann schob er den Block zur Seite. Jetzt, wo Rydberg ausfiel, fehlte ihnen ihr bestes Instrument. Wenn eine Ermittlungsgruppe wie ein Orchester ist, dachte Wallander, dann haben wir unseren Konzertmeister verloren. Und ohne erste Geige klingt das Orchester nicht gut.
Im selben Augenblick beschloß er, selbst mit der Person im Nachbarhaus zu sprechen, die die Angaben zu Anna Eberhardsson gemacht hatte. Svedberg war oft zu ungeduldig, wenn er mit Menschen darüber sprach, was sie möglicherweise gesehen oder gehört hatten. Das betraf auch die Frage, was Leute dachten. Er suchte den Namen der Nachbarin heraus, einer Frau namens Linnea Gunnér. Nur Frauen bei dieser Ermittlung, dachte er. Er wählte ihre Nummer und hatte Glück. Linnea Gunnér war zu Hause und wollte ihn gern empfangen. Er notierte sich den Türcode, den sie ihm nannte.
Er verließ das Präsidium um kurz nach drei und trat im Vorbeigehen noch einmal gegen die beschädigte Tür. Die Beule vergrößerte sich wieder ein Stück. Als er an die Brandstelle kam, war schon der Bagger im Einsatz. Noch immer standen viele Neugierige herum und betrachteten die Reste des abgebrannten Hauses.
|340| Linnea Gunnér wohnte in der Möllegata. Wallander tippte den Code ein und ging die Treppe hinauf in den ersten Stock. Das Haus war irgendwann um die Jahrhundertwende erbaut und
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