Wallander 10 - Wallanders erster Fall
so viele Hunde zu halten. Sie bot ihm einen Kaffee an. Er lehnte dankend ab. Er hatte Hunger und würde etwas essen, sobald das Gespräch mit Tyra Olofsson beendet war. Er setzte sich an den Tisch und suchte vergeblich nach etwas zu schreiben. Ausnahmsweise hatte er daran gedacht, ein kleines Notizbuch in die Tasche zu stecken. Aber jetzt fehlte ihm ein Stift. Er angelte sich einen Bleistift, der auf der Fensterbank lag.
»Sie haben recht, Frau Olofsson«, begann er. »Es geht um Emilia Eberhardsson, die auf so tragische Weise ums Leben gekommen ist. Wir haben von einer Nachbarin gehört, daß sie im hiesigen Tierschutzverein mitgearbeitet hat. Und daß Sie sie gut kannten.« »Daß ich sie gut kannte, würde ich nicht behaupten. Das tat niemand, glaube ich.«
»Und die zweite Schwester, Anna Eberhardsson, hatte nie etwas mit Ihrer Arbeit für den Tierschutz zu tun?«
»Nein.«
»Ist das nicht etwas merkwürdig? Ich meine, zwei Schwestern, beide unverheiratet, die zusammenleben. Ich stelle mir vor, daß man dann auch gemeinsame Interessen hat.«
»Das ist ein Vorurteil«, antwortete Tyra Olofsson bestimmt. |332| »Außerdem waren Emilia und Anna vermutlich sehr unterschiedliche Frauen. Ich habe mein ganzes Leben als Lehrerin gearbeitet. Da lernt man, die Unterschiedlichkeit der Menschen zu erkennen. Man sieht es schon, wenn die Kinder klein sind.«
»Wie würden Sie Emilia beschreiben?«
Die Antwort überraschte Wallander.
»Hochnäsig. War davon überzeugt, immer alles besser zu wissen als andere. Sie konnte sehr unangenehm sein. Aber da sie es war, die Geld für unsere Arbeit spendete, konnten wir sie ja nicht rauswerfen. Auch wenn wir es gewollt hätten.«
Tyra Olofsson erzählte vom örtlichen Tierschutzverein, den sie selbst mit ein paar Gleichgesinnten in den sechziger Jahren gegründet hatte. Sie hatten immer vor Ort gearbeitet, und der Anlaß für die Gründung des Vereins war das wachsende Problem mit den ausgesetzten Katzen. Der Verein war immer klein geblieben und hatte nur wenige Mitglieder gehabt. Irgendwann Anfang der siebziger Jahre hatte Emilia Eberhardsson in
Ystads Allehanda
von dem Verein gelesen und war Mitglied geworden. Sie hatte jeden Monat Geld gespendet und an Sitzungen und verschiedenen Aktivitäten teilgenommen. »Aber ich glaube, sie mochte Tiere eigentlich gar nicht«, sagte Tyra Olofsson unerwartet. »Ich glaube, sie tat es, weil man glauben sollte, daß sie ein guter Mensch sei.«
»Das klingt nicht besonders freundlich.«
Die Frau auf der anderen Seite des Tisches zwinkerte ihm zu. »Ich dachte, die Polizei will die Wahrheit wissen«, sagte sie. »Oder irre ich mich?«
Wallander wechselte das Thema und fragte nach dem Geld.
»Sie spendete einen Tausender im Monat. Für uns war das viel.«
»Machte sie den Eindruck, als sei sie reich?«
»Sie kleidete sich nicht besonders teuer. Aber Geld hatte sie immer.«
»Sie haben sich doch sicherlich gefragt, woher es kam. Ein Handarbeitsgeschäft verbindet man kaum mit Reichtum.«
»Tausend Kronen im Monat auch nicht«, antwortete sie. »Ich bin kein besonders neugieriger Mensch. Vielleicht weil ich so schlecht sehe? Aber woher das Geld kam oder wie ihr Handarbeitsgeschäft ging, darüber weiß ich nichts.«
|333| Wallander zögerte einen kleinen Moment. Dann sagte er es, wie es war. »Aus den Zeitungsberichten ging hervor, daß die beiden Schwestern verbrannt sind«, sagte er. »Aber dort stand nicht, daß sie erschossen wurden. Sie waren also schon tot, als der Brand ausbrach.«
Sie streckte sich. »Wer erschießt denn zwei alte Frauen? Das ist genauso unglaublich, wie wenn jemand mich erschießen wollte.«
»Genau das versuchen wir zu verstehen«, sagte Wallander. »Deshalb bin ich hier. Hat Emilia nie etwas darüber gesagt, daß sie Feinde hatte? Machte sie nie den Eindruck, als hätte sie Angst?«
Tyra Olofsson brauchte nicht nachzudenken. »Sie war immer sehr selbstsicher. Über ihr Leben und das ihrer Schwester hat sie nie ein Wort verloren. Und wenn sie verreist waren, haben sie nicht einmal eine Postkarte geschrieben. Nicht ein einziges Mal. Wo es doch überall so schöne Karten mit Tiermotiven gibt.«
Wallander zog die Augenbrauen hoch. »Sie sind also oft verreist?«
»Zwei Monate jedes Jahr. November und März. Manchmal auch noch im Sommer.«
»Wissen Sie, wohin sie gefahren sind?«
»Ich habe Gerüchte gehört, daß sie nach Spanien fuhren.«
»Wer kümmerte sich dann um das Geschäft?«
»Sie haben sich
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