Wallander 10 - Wallanders erster Fall
dachte, es würde bei mir brennen.«
»Anna und Emilia wurden ermordet«, antwortete Wallander. »Sie waren schon tot, als das Feuer ausbrach.«
»Wer tut denn so etwas?«
»Ich wäre wohl kaum hier, wenn ich es wüßte«, antwortete Wallander und verabschiedete sich.
Als er auf die Straße kam, blieb er einen Moment an der Brandstätte stehen und betrachtete geistesabwesend, wie der Bagger die Ladefläche eines Lastwagens füllte. Er versuchte sich das Ganze vorzustellen. Wie Rydberg es ihn gelehrt hatte. In einen Raum zu gehen, in dem der Tod gewütet hat, und zu versuchen, das Drama von hinten zu schreiben. Aber hier gibt es nicht einmal einen Raum, dachte Wallander. Hier gibt es gar nichts.
Er ging langsam in Richtung Hamngata. Im Haus neben dem von Linnea Gunnér war ein Reisebüro. Er blieb stehen, als er im Schaufenster ein Plakat von Kairo entdeckte, auf dem die Pyramiden zu sehen waren. In vier Tagen sollte sein Vater nach Hause kommen. Wallander dachte, daß er sicher ungerecht gewesen war. Warum sollte er seinem Vater nicht gönnen, einen alten Traum zu verwirklichen? Wallander betrachtete die Plakate im Schaufenster. Mallorca, Kreta, Spanien.
Plötzlich schoß ihm ein Gedanke durch den Kopf. Er öffnete die Tür und betrat das Geschäft. Beide Angestellten bedienten Kunden. |343| Wallander setzte sich und wartete. Als die erste, eine Frau, kaum älter als zwanzig, frei wurde, stand er auf und setzte sich an ihren Tisch. Er mußte noch ein paar Minuten warten, während sie ein Telefonat führte. Auf einem Namensschild auf dem Schreibtisch las er, daß sie Anette Bengtsson hieß.
Sie legte auf und lächelte. »Wollen Sie verreisen?« fragte sie. »Um Weihnachten und Neujahr gibt es nur noch Restplätze.«
»Mein Anliegen ist ein anderes«, sagte Wallander und zeigte ihr seinen Ausweis. »Sie wissen sicher, daß hier gegenüber zwei alte Damen verbrannt sind?«
»Das war schrecklich.«
»Kannten Sie sie?«
Er bekam die Antwort, auf die er vage gehofft hatte.
»Sie haben bei uns immer ihre Reisen gebucht. Es ist so furchtbar, daß sie nicht mehr da sind. Emilia wollte im Januar fahren. Und Anna im April.«
Wallander nickte langsam. »Wohin wollten sie?« fragte er.
»Nach Spanien. Wie immer.«
»Wohin genau?«
»Nach Marbella. Sie hatten dort ein Haus.«
Die Fortsetzung überraschte Wallander noch mehr.
»Ich war einmal da«, sagte sie. »Im letzten Jahr war ich in Marbella. Zu einer Weiterbildung. Die Konkurrenz zwischen den vielen Reisebüros ist heute groß. An einem Tag, als wir frei hatten, bin ich hingefahren und habe mir ihr Haus angesehen. Ich kannte ja die Adresse.«
»War es groß?«
»Es war ein Palast. Mit großem Grundstück. Hohen Mauern und Wachen.«
»Ich wäre dankbar, wenn Sie mir die Adresse aufschreiben könnten«, sagte Wallander und konnte nicht verbergen, wie aufgeregt er plötzlich war.
Sie suchte in einem Ordner und schrieb sie ihm dann auf.
»Sie sagten, Emilia wollte im Januar fliegen?«
Sie tippte etwas in ihren Computer.
»Am 7. Januar«, antwortete sie. »Um neun Uhr fünf von Kastrup, über Madrid.«
|344| Wallander nahm einen Stift von ihrem Tisch und notierte.
»Sie buchte also keine Charterflüge?«
»Das taten sie beide nie. Immer erster Klasse.«
Ganz richtig, dachte Wallander. Die Damen liebten es vom Feinsten.
Sie gab ihm Auskunft, bei welcher Fluggesellschaft Emilia gebucht hatte. Wallander notierte: Iberia.
»Ich weiß nicht, was jetzt damit wird«, sagte sie. »Das Ticket ist schon bezahlt.«
»Das wird sich sicher klären«, antwortete Wallander. »Wie haben sie übrigens ihre Tickets bezahlt?«
»Immer in bar. Mit Tausendern.«
Wallander stopfte seine Notizen in die Tasche und stand auf.
»Sie haben mir sehr geholfen«, sagte er. »Wenn ich das nächste Mal verreise, dann komme ich her und buche bei Ihnen. Aber bei mir wird es wohl ein Charterflug werden.«
Es war fast vier Uhr. Wallander ging an der Bank vorbei, in der er am nächsten Tag seine Kreditpapiere und das Geld für den Autokauf abholen sollte. Als er den Marktplatz überquerte, zog er vor dem Wind die Schultern hoch. Um zwanzig nach vier war er wieder im Polizeipräsidium. Und noch einmal gab er der Beule an der Eingangstür einen rituellen Tritt. Ebba berichtete, daß Hansson und Svedberg unterwegs waren. Aber noch wichtiger war, daß sie im Krankenhaus angerufen und selbst mit Rydberg gesprochen hatte. Es gehe ihm gut, hatte er gesagt, aber er müsse über Nacht
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