Wallander 10 - Wallanders erster Fall
Straße waren Sommerhäuser und jetzt verbarrikadiert.
Auf seinem Gang durch den Ort begegnete Wallander nur zwei Menschen. Die Verlassenheit des Ortes bedrückte ihn plötzlich. Er machte kehrt und ging schnell zurück zum Auto.
Als er schon den Motor angelassen hatte, entdeckte er eine ältere Frau, die sich an einem Blumenbeet in einem Garten neben dem Wagen zu schaffen machte. Er stellte den Motor wieder ab und stieg aus. Als er die Wagentür zuschlug, schaute die Frau in seine Richtung. Wallander ging zum Zaun und hob die Hand zum Gruß.
»Ich hoffe, ich störe Sie nicht«, sagte er.
»Hier stört niemand«, sagte die Frau und sah ihn neugierig an. »Ich heiße Kurt Wallander und bin Kriminalbeamter in Ystad«, sagte er.
»Ich kenne Sie«, sagte die Frau. »Habe ich Sie nicht in einem Diskussionsprogramm im Fernsehen gesehen?«
»Ich glaube kaum«, erwiderte er. »Aber leider hat es dann und wann Bilder von mir in der Zeitung gegeben.«
»Agnes Ehn«, sagte die Frau und reichte ihm die Hand.
»Wohnen Sie das ganze Jahr über hier?« fragte Wallander.
»Nur im Sommerhalbjahr. Ich komme Anfang April hier heraus. Und bleibe bis Oktober. Im Winter wohne ich in Halmstad. Ich bin pensionierte Lehrerin. Mein Mann ist vor ein paar Jahren gestorben.«
»Es ist schön hier«, sagte Wallander. »Schön und still. Jeder kennt jeden.«
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Es kann auch so sein, daß man seinen eigenen Nachbarn nicht kennt.«
|162| »Ihnen ist nicht zufällig ein Mann aufgefallen, der in der vergangenen Woche ein paarmal mit dem Taxi nach Svarte gekommen ist? Und der am Nachmittag wieder von einem Taxi abgeholt worden ist?«
Ihre Antwort überraschte ihn.
»Er hat mein Telefon benutzt, um das Taxi zu bestellen«, sagte sie. »An vier Tagen hintereinander. Wenn es wirklich der gleiche Mann war.«
»Hat er gesagt, wie er heißt?«
»Er war sehr höflich.«
»Und hat sich vorgestellt?«
»Man kann höflich sein, auch ohne seinen Namen zu sagen.«
»Und er bat Sie darum, ihr Telefon benutzen zu dürfen?«
»Ja.«
»Hat er sonst noch etwas gesagt?«
»Ist denn etwas passiert?«
Wallander fand, daß es keinen Grund gab, ihr nicht zu sagen, was passiert war.
»Er ist tot.«
»Das ist ja schrecklich. Und was ist geschehen?«
»Das wissen wir nicht. Im Moment wissen wir nur, daß er tot ist. Wissen Sie, was er hier in Svarte gemacht hat? Hat er gesagt, wen er besuchte? Und in welche Richtung ging er? War er in Begleitung? Alles, woran Sie sich erinnern können, ist wichtig.«
Wieder überraschte sie ihn mit ihrer klaren Antwort.
»Er ging unten am Strand spazieren«, sagte sie. »Hinter meinem Haus führt ein Pfad hinunter zum Strand. Dem folgte er. Dann ging er in westlicher Richtung. Und er kam erst am Nachmittag zurück.«
»Er ging am Strand spazieren? War er allein?«
»Das kann ich doch nicht wissen. Der Strand macht eine Biegung. Er kann da hinten jemanden getroffen haben, wo ich es nicht mehr sehen kann.«
»Hatte er irgend etwas bei sich? Eine Tasche oder ein Paket?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Machte er irgendwie einen beunruhigten Eindruck?«
»Nicht, soweit ich sehen konnte.«
|163| »Er benutzte also gestern Ihr Telefon?«
»Ja.«
»Und Sie haben nichts Auffälliges an ihm bemerkt?«
»Er machte den Eindruck eines netten und freundlichen Mannes. Er bestand darauf, die Telefongespräche zu bezahlen.«
Wallander nickte.
»Sie haben mir sehr geholfen«, sagte er und gab ihr eine Karte mit seiner Telefonnummer. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, möchte ich Sie bitten, mich anzurufen.«
»Das ist tragisch«, sagte sie. »Ein so angenehmer Mann.«
Wallander nickte und ging hinter das Haus, wo ein Weg zum Strand hinunterführte. Er ging bis ganz an die Wasserkante. Der Strand war verlassen. Als Wallander sich umdrehte, sah er Agnes Ehn dastehen und ihm nachschauen.
Er muß jemanden getroffen haben, dachte er. Etwas anderes ist undenkbar. Die Frage ist nur, wen.
Er fuhr zurück ins Präsidium. Rydberg hielt ihn auf dem Flur an und sagte, es sei ihm gelungen, Alexanderssons Exfrau an ihrem Wohnort an der Riviera ausfindig zu machen.
»Aber es nimmt niemand ab«, sagte er. »Ich versuche es weiter.« »Gut«, sagte Wallander. »Sag mir Bescheid, wenn du sie erreicht hast.«
»Martinsson war hier«, fuhr Rydberg fort. »Man konnte kaum hören, was er sagte. Ich habe ihm gesagt, er soll wieder nach Hause gehen.«
»Das hätte ich wohl auch getan«, sagte Wallander.
Er
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