Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer
Schlag, den du damals erhalten hast, als ich dir das Leben auf dem Epipolai gerettet habe. Weißt du noch? Damals. Als du geflohen bist. Ohne deinen Schild.«
»Auf Wiedersehen!« Er versuchte zwar, sich davonzumachen, aber mittlerweile hatte sich um uns herum ein dichter Ring aus kichernden Athenern gebildet, so daß es kein Entrinnen für ihn gab.
»Weißt du, ein Soldat sieht unglaublich lächerlich aus, wenn er ohne seinen Schild davonläuft. Ich kann mich noch gut an alle diese Witze erinnern, die du in deinem Stück über den alten Kleonymos gerissen hast, als er seinen Schild in der Schlacht fallen ließ. Wie heißt es da doch gleich? Mal sehen, also…«
Das reichte Aristophanes. Er bahnte sich nun mit Gewalt den Weg durch die Menge, wobei sämtliche Tauben zu Boden fielen.
Ich bückte mich und hob sie auf. »Aristophanes!« rief ich ihm hinterher. »Du hast deinen Schild fallen gelassen! Ach, entschuldige, ich meine natürlich deine Wildtauben! Willst du sie nicht mehr?«
Es kam keine Antwort: Aristophanes rannte davon. Ich zuckte die Achseln, klopfte den Dreck von den Tauben und begab mich nach Hause. Draußen vor der Tür war die kleine Hermesstatue in Stücke zerschmettert worden und auf den Sockel hatte jemand ›Tod dem Verräter‹ gekritzelt. Nach meinem kleinen Triumph über den Sohn des Philippos versetzte mir das einen ziemlichen Dämpfer, und ich ging hinein und warf die Tauben vor das Feuer.
»Gut gemacht«, freute sich Phaidra, die gerade Wolle kämmte. »Ich wußte doch gleich, daß du es schaffst, diese Dinger irgendwo aufzutreiben.«
»Ein Geschenk von Aristophanes«, sagte ich, und dann erzählte ich ihr von der Szene auf dem Marktplatz, woraufhin sie herzlich lachte.
»Ich nehme an, wir werden in nächster Zeit keine Witze mehr über das Wegwerfen von Schilden hören.«
»Ich jedenfalls nicht. Niemals mehr. Oder hast du’s schon vergessen?« Mir fiel zwar sofort ein, daß ich damit nicht gerade die Stimmung gehoben hatte, doch zwang sich Phaidra trotzdem zu einem Lächeln.
»Aber bist du letztendlich nicht sogar besser dran?« scherzte sie. »Denk doch mal nach. Nie wieder irgendeine Aristophanes-Komödie, in die du gehen mußt. Nie wieder diese komischen Sklaven, die mit Würsten geprügelt werden. Nie wieder diese idiotischen Wortspiele mit irgendwelchen Ortsnamen.«
»Nie wieder Parabasen von Phrynichos«, fügte ich hinzu. »Das darfst du auch nicht vergessen.«
»Nie wieder Teleklides«, fuhr sie fort. »Nie wieder irgendein Chor, der die Götter anruft, wenn ihm nichts Besseres zu einer Stelle einfällt.«
»Nie wieder irgendwelche Häuser, die angezündet werden, nur weil ihm wieder mal kein anderer Schluß für das verdammte Ding eingefallen ist.«
»Nie wieder aufgesetzte Essensszenen von Kratinos.«
»Nie wieder Aristomenes.«
»Und du mußt nie mehr an einem Kieselstein lutschen, um dich nicht zu übergeben, wenn Ameipsias diese Szene von dem alten Mann mit dem Durchfall spielt. Bei Zeus, du bist wirklich glücklich dran, Eupolis. Ach, könnte ich doch mit dir kommen!«
»Das wäre schön«, stimmte ich mit einem Lächeln zu. »Du kennst dich wirklich gut aus in der Komödie, Phaidra.«
»Das sollte ich ja wohl auch. Schließlich bin ich mit einem Komödiendichter verheiratet, falls du das vergessen hast.«
»Aber normalerweise hast du nie großes Interesse daran bekundet.«
»Ich konnte einfach nicht anders«, antwortete Phaidra lachend. »Du meine Güte, erinnerst du dich noch daran, als Hermippos den ersten Preis mit diesem komischen Stück, in dem ein Wal vorkommt, gewonnen hat? Du bist damals kreidebleich nach Hause gekommen, hast deinen Stock an die Wand geknallt und wärst fast in Tränen ausgebrochen.«
»Ich nenne so etwas ein vollkommen angemessenes Verhalten, jedenfalls unter den damaligen Umständen.«
»Eine Woche lang habe ich kein Wort aus dir herausbekommen«, fuhr Phaidra fort. »Du hast nicht mal geschimpft, sondern einfach nur stumm dagesessen. Und dann hast du dich betrunken und mit so einer komischen Stimme den gesamten Eröffnungschor von ihm nachgeäfft.«
»Auf diese Weise hörte er sich wenigstens etwas besser an.«
Phaidra beugte sich vor und legte die Wolle auf den Boden. »Und erinnerst du dich noch daran, als Aristophanes nur den dritten Platz belegte und du eine Siegesfeier abgehalten hast, obwohl du selbst zu den Festspielen nicht einmal zugelassen worden warst?«
»Du bist damals nicht zu Hause gewesen, oder?«
»Doch,
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