Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer
Löcher haben, gehst du zum Schuhmacher, richtig?«
»Selbstverständlich.«
»Also nähmst du immer die Dienste eines Fachmanns in Anspruch und nicht die eines Laien, stimmt’s?«
»Ich denke, das haben wir allmählich geklärt.«
»Und wenn du dein Dach keinem Laien oder deine Sohlen keinem Flickschuster anvertrauen würdest, wärst du dann noch dazu bereit, dein Leben in die Hände eines unerfahrenen Zeugen zu legen?«
»Ja«, antwortete ich zu seiner großen Verwunderung. »Und weißt du auch, warum?«
»Nein.«
»Weil die Geschworenen sämtliche Berufszeugen vom Sehen her kennen, wodurch ihre Glaubwürdigkeit völlig ins Lächerliche gezogen wird.«
Python blickte mich zornig an. »Meine Zeugen sind allesamt glaubwürdig.«
»Danke, du bist wirklich ein äußerst wortgewandter Mann, aber ich denke, ich schaffe es auch ohne deine Hilfe, mich umbringen zu lassen.«
»Wie du meinst«, sagte er, wobei ihm die Enttäuschung deutlich ins Gesicht geschrieben stand. »Aber du wirst schon sehen, du begehst einen großen Fehler.«
»Es war wirklich sehr nett von dir, mir deine Hilfe angeboten zu haben, Python, aber was du vorhast, eignet sich nur für Privatprozesse – Nichtrückzahlung von Schulden, üble Nachrede, leichte Körperverletzung und dergleichen Vergehen. Wenn du dich mehr darauf konzentrierst, wirst du bestimmt deinen Weg machen.«
Damit hatte ich ihn zwar beleidigt, aber daran war nun auch nichts mehr zu ändern.
»In dem Fall muß ich mein Angebot mit Bedauern zurückziehen«, sagte er. »Das macht dann fünf Drachmen.«
»Fünf Drachmen?«
»Ja.«
»Und wofür?«
»Mein lieber Freund, du erwartest doch wohl nicht im Ernst von mir, daß ich umsonst arbeite, oder? Auch wenn du meine Dienste nicht in Anspruch nehmen willst, so bist du doch in den Genuß eines längeren Beratungsgesprächs mit mir gekommen. Das wirst du sicherlich nicht abstreiten können, nicht wahr?«
»Genossen habe ich es schon, aber das war mir keine fünf Drachmen wert.«
»Also weigerst du dich zu zahlen?«
»Ja.«
»Wie du willst, aber du wirst noch von mir hören«, brüllte er mich an und stürmte wütend aus dem Haus. Phaidra, die unser Gespräch durch die Tür des Innenraums hindurch belauscht hatte, kam herein und nahm wieder die Handarbeit auf, die sie vorher unterbrochen hatte.
»Soweit ich es mitbekommen habe, bist du nicht gerade sonderlich von ihm beeindruckt, wie?« stellte sie fest.
»Warum sollte ich auch? Der Mann ist ein Witzbold.«
»Das mag durchaus sein, aber immerhin hat dieser Witzbold schon einige Leute vor noch schlimmeren Anklagen als deiner bewahrt.«
»Dabei handelte es sich bestimmt nicht um Anklagen wegen irgendwelcher Straftaten, sondern nur um Privatprozesse.«
»Von wegen«, widersprach Phaidra. »Das waren ausschließlich öffentliche Klagen. Verrat, Mord, Rechtsbruch in jedweder Form, und alle Angeklagten waren schuldig. Selbst die Geschworenen hielten sie für schuldig.«
»Dann nenn mir nur einen einzigen Fall.«
Phaidra nannte mir gleich fünf Fälle, die allesamt von großer Bedeutung gewesen waren, und sagte dann: »Und weißt du, wie er das geschafft hat?«
»Seine dämlichen Berufszeugen können es jedenfalls nicht gewesen sein.«
»Natürlich nicht, er hat diese Erfolge allein seiner Redekunst zu verdanken.«
»So etwas nennst du Redekunst?« wandte ich empört ein. »Diesen Badehausquatsch? Ich würde mich nicht einmal trauen, solch einen Unsinn als Parodie zu bringen, weil man mir bestimmt vorwürfe, völlig zu übertreiben.«
»Offenbar wünscht man sich das heutzutage aber so, du Narr. Weshalb sollte er wohl sonst so gut davon leben können?«
»Jetzt beißt sich aber die Katze in den Schwanz, denn das war ein Zirkelschluß«, stellte ich geistreich fest.
»Das einzige, was dir jetzt noch das Leben retten könnte, ist wahrscheinlich wirklich ein Zirkelschluß«, hielt mir Phaidra entgegen. »Heutzutage sind die Geschworenen nämlich genauso wie die Leute, die sich diese Wagenrennen ansehen – sie haben ihre Lieblinge, und dieser Python ist einer davon. Sie mögen ihn. Sie wollen, daß er gewinnt.«
»Woher weißt du das alles überhaupt?« fragte ich. »Wann hast du das letztemal einer Verhandlung beigewohnt?«
»Nur weil ich eine Frau bin, heißt das noch lange nicht, daß ich keine Ohren habe. Wie du weißt, habe ich schließlich auch eigene Freunde, und die erzählen mir davon. Der Punkt ist jedenfalls der, daß du dich um eine gute Verteidigungsrede
Weitere Kostenlose Bücher