Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer
ich war hier. Aber ich war eingeschnappt und bin nicht aus dem Zimmer gekommen. Und dieser Trottel Kritobulos hat dir damals deinen neuen Umhang von oben bis unten vollgekotzt.«
»Zeus allein weiß, was er damals gegessen hatte. Mir blieb jedenfalls nichts anderes übrig, als den Umhang wegzuwerfen.«
Phaidras Lächeln war nun echt. »Und erinnerst du dich noch, als du mit deinem Stück Die Schmeichler gewonnen hast, obwohl du vorher noch befürchtet hattest durchzufallen, und als Aristophanes diesen Männern Geld gegeben hat, damit sie im Publikum einen Streit anfangen, und als du dahintergekommen bist und ihnen einfach mehr gegeben hast? Mann, war ich stolz auf dich!«
»Das war aber doch, bevor wir beide wieder zusammengekommen waren, oder?«
»Trotzdem war ich stolz auf dich. Ich hätte wirklich gern an der Feier teilgenommen, aber das war ja nicht möglich. In allen den Jahren bin ich sogar auf keiner einzigen Siegesfeier von dir gewesen. Du solltest dich also sofort an ein neues Stück setzen, damit ich…«
Phaidra beendete den Satz nicht, und ich blickte zur Seite.
»Wir beide haben gemeinsam ganz schön viel versäumt, findest du nicht?« fragte sie. »Wir hätten eine so schöne Zeit zusammen haben können.«
»Hast du vor, wieder jemanden zu heiraten?« fragte ich sie.
»In meinem Alter und mit dem Gesicht? Du machst wohl Scherze?«
»Du wirst Geld besitzen, und außerdem ist das Aussehen nicht alles. Du könntest Hermokrates heiraten. Seine Frau ist letztes Jahr gestorben, und er ist drauf und dran, demnächst den ersten Platz zu belegen.«
»Hermokrates?« entsetzte sich Phaidra. »Ich wußte gar nicht, daß du solch einen miesen Geschmack hast.«
»Ganz schön wählerisch, wie? Ich meine, wenn man auf diesen Typ Mann steht, sieht er doch eigentlich ganz gut aus.«
»Hermokrates«, wiederholte Phaidra mit Abscheu. »Das ist doch der Kerl, der Die Ägineten so inszeniert hat, als wäre es eine Komödie, nicht wahr? Dann verkaufe ich schon lieber Myrte auf dem Markt.«
»Es muß ja kein Komödiendichter sein, du könntest ja auch einen Tragödiendichter heiraten. Für die Frau eines Tragödiendichters hättest du zudem bereits den passenden Namen.«
»O nein, ich will einen Komödiendichter und sonst niemanden.«
»Die sollen aber sehr schlechte Ehemänner abgeben, sagt man.«
»Siehst du? Also sollte ich mich lieber an das halten, was ich kenne. Ich könnte es ja sogar selbst mal versuchen, etwas zu schreiben.«
»Du? Daß ich nicht lache! Was, in Zeus Namen, wissen Frauen schon von Dichtung?«
»Und was ist dann mit Sappho?« konterte sie schnell.
»Gänzlich überbewertet, selbst für eine Nichtathenerin. Zudem wurde die Hälfte ihrer Werke in Wirklichkeit von Alkaios geschrieben. Und wen willst du dazu überreden, dein Stück zu finanzieren?«
»Philonides. Ich würde ihm einfach erzählen, es sei eins von dir«, antwortete sie.
»Das würdest du nicht wagen.«
»Da ist doch nichts dabei. Schreiben ist ein Handwerk, wie das Bemalen von Krügen. Man muß nur eine Zeitlang die Methode erlernen, und wie die funktioniert, begreift irgendwann jeder Trottel.«
»Unsinn.«
»Wir werden ja sehen.«
»Nein, das werden wir nicht sehen. Ich verbiete es dir.«
»Du willst es mir also wirklich verbieten?«
»Absolut!«
»Nun, wenn das so ist, dann sollten wir jetzt lieber diese Tauben rupfen.« Phaidra hob die Vögel vom Boden auf und rief nach Thrax. »Wir könnten dazu etwas von dem frischen Käse und ein paar Würste essen, findest du nicht?«
Gleich am nächsten Tag wurde der Gerichtstermin bekanntgegeben; in sechs Tagen sollte der Prozeß im Odeion stattfinden, als dritter Fall dieses Verhandlungstages. Hätte ich entscheiden können, wäre das Odeion nicht meine erste Wahl gewesen; der Gerichtshof des Archons besitzt eine weit bessere Akustik, und zudem läuft die Wasseruhr dort merklich länger. Dennoch hielt ich es für ein gutes Omen, daß mein Fall als dritter behandelt werden sollte, da ich auch erst am dritten Tag meinen Chor auf die Bühne geschickt hatte, als es mir gelungen war, mit Marikas den ersten Platz zu belegen, und genauso hatte es sich mit den Schmeichlern verhalten. Als ich dies gegenüber Phaidra erwähnte, bemerkte sie, nun bräuchte ich nur noch einen guten Chorleiter, und im selben Augenblick klopfte es an der Tür. Thrax öffnete, und herein kam ein Mann, dessen Gesicht ich zwar kannte, dessen Name mir allerdings entfallen war. Doch kaum hatte er den
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