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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Kampf niemand mehr erwähnt hatte), und ein paar Hitzköpfe redeten sogar davon, den Barbaren beim nächstenmal einen Denkzettel zu verpassen. Als sich die Gerüchte über den bevorstehenden Abzug immer mehr verdichteten und ihnen nur noch die verstockten Schwarzseher nicht glauben wollten, erwachte das Lager langsam zum Leben und wurde wieder erkennbar athenisch. Überzeugt, bald zu Hause in Sicherheit zu sein, bezeichneten es die Männer als Schande, auf diese Art und Weise davonzulaufen. Was man statt dessen wirklich tun solle, sei, auszuharren und es noch einmal zu versuchen – vorzugsweise bei Tag und fraglos auf See, wo unsere Vormachtstellung noch nie bedroht gewesen sei. Diese Ansicht vertraten die meisten mit solcher (typisch athenischer) Wortgewandtheit, daß sich einige Leute tatsächlich davon überzeugen ließen und sie Nikias sinngemäß vortrugen. Dieser wiederum sah sich dadurch veranlaßt, die Sache noch einmal zu überdenken: War es seine Pflicht, einen letzten Versuch zu unternehmen, um den Stolz und guten Namen seiner Stadt zu retten? Durfte er bei einem derart kolossalen Akt von Feigheit mit von der Partie sein? Hatten die Schiffskapitäne die wöchentlichen Lebensmittelrationierungen schon eingeteilt? Und so weiter.
    Doch vermutlich hätten wir uns auf den Heimweg gemacht, wäre da nicht die Sonnenfinsternis gewesen. Das war, glaube ich, einfach Pech. Da sich, wie ich Ihnen berichtet habe, ziemlich viele Toren eingeredet hatten, wir sollten bleiben und zur See kämpfen, wurde die Finsternis allgemein als Zeichen der Götter gewertet, daß es unehrenhaft von uns sei, den Kampf nach einer einzigen Niederlage aufzugeben. Je länger die Finsternis anhielt, desto mehr Leute murrten, und Nikias (der sehr abergläubisch war) war mit den Nerven am Ende.
    Zu Sonnenfinsternissen habe ich nun eine eigene Theorie, die folgendermaßen lautet: Selbstverständlich handelt es sich bei ihnen um ein Zeichen der Götter; mit blasphemischen Dummköpfen wie Sokrates, nach dessen Aussage eine Finsternis etwas Natürliches sei und nichts bedeute, habe ich nichts zu schaffen. Ich behaupte aber, daß es nur eine Sonne gibt, und wenn eine Finsternis eintritt, muß die Sonne über der ganzen Welt verdunkelt sein. Von daher ist es von jedem einzelnen Menschen, jeder Gruppe und jedem Volk äußerst anmaßend und überheblich, die Ansicht zu vertreten, diese bestimmte Finsternis sei von allen Menschen dieser Erde allein für sie ein Zeichen. Soviel wir wissen, könnte die Finsternis ein Zeichen von Hera an die Äthiopier sein oder eins von Poseidon, der damit die Odomanter vor einem drohenden Erdbeben warnt. Außerdem ist es nur vernünftig anzunehmen, daß sich die Götter, wenn sie schon beschließen, uns zu warnen, gleichzeitig mehrerer verschiedener Verfahren bedienen werden; etwa einer Finsternis und eines Vogelschwarms und vielleicht zusätzlich eines Wunders und eines mißgebildeten Opfertiers, um auf diese Weise den Empfängern der Botschaft zu verdeutlichen, daß die Warnung ausschließlich an sie gerichtet ist. Wäre es anders, bräche das System völlig zusammen: Menschen, die nichts zu fürchten haben, ließen sofort alles, womit sie zufällig gerade beschäftigt sind, stehen und liegen (was keinesfalls der Wille der Götter sein kann), während die eigentlichen Empfänger der Warnung keine Notiz nähmen, da sie aus Erfahrung wissen, daß für sie eine Sonnenfinsternis fast noch nie eine besondere Bedeutung gehabt hat. Sofern die Götter es nicht so einrichten, daß sämtliche Völker der Erde in Schwierigkeiten geraten und genau zur selben Zeit gewarnt werden müssen, halte ich meine Erklärung für die einzig vernünftige.
    Wie dem auch sei, die Athener begriffen diese bestimmte Sonnenfinsternis jedenfalls als ausdrücklichen Befehl von Athena höchstpersönlich, die Expedition nicht abzubrechen, und deshalb wurde die Expedition auch nicht abgebrochen. Allerdings wurde sie auch nicht gerade mit einer Haltung fortgeführt, die auch nur im entferntesten an Begeisterung erinnerte. Zunächst ruhte sie einfach eine Zeitlang, während Nikias und Demosthenes erneut eine Dringlichkeitssitzung abhielten, um untereinander nicht nur die Lösung der dringenderen Probleme, sondern auch die Absichten der unsterblichen Götter zu klären.
    Was die Syrakuser betraf, so hatten diese über die Bedeutung der Finsternis überhaupt keinen Zweifel. Sie sagte ihnen klar und deutlich, daß sie in nicht allzu ferner Zukunft in

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