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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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zugeeilt, um mich zu begrüßen – wie ich mich erinnere, humpelte er, und es sah so aus, als bereitete ihm das Laufen starke Schmerzen; ich wünschte, er hätte es nicht getan –, und umarmte mich heftig. Ich erwiderte die Umarmung nicht. Ich stand bloß da und starrte ihn an.
    »Eupolis!« rief er. »Geht es dir gut?«
    Diese Frage erschien mir angesichts der Tatsache, daß meine Unsterblichkeit so klar auf der Hand lag, höchst eigenartig. »Natürlich geht es mir gut«, erwiderte ich. »Warum sollte es mir nicht gutgehen?«
    »Du bist von oben bis unten mit Blut befleckt«, sagte er mit sorgenvoller Miene.
    »Ach, das ist nicht meins«, winkte ich ab. »Das ist von jemandem, den der kleine Zeus getötet hat. Dabei fällt mir ein, der kleine Zeus ist tot. Jetzt wird er nie seine zwei Hektar genießen können, der arme Kerl.«
    Kallikrates starrte mich entsetzt an. »Machst du Witze?«
    »Natürlich nicht.«
    »Du hast das eben so gesagt, als würdest du einen Scherz machen.«
    »Er ist wirklich tot«, versicherte ich ihm. »Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.«
    Einen Augenblick lang nahm ich an, Kallikrates sei furchtbar wütend auf mich – weil ich mich so gleichgültig verhielt, vermute ich –, doch dann verstand er wohl, wie ich mich wirklich fühlte, obwohl ich nicht weiß, wie er dahinterkommen konnte. Auf jeden Fall sprachen wir beide danach nicht viel miteinander. Mir fiel lediglich auf, wie wunderschön der Sonnenaufgang war, und ich zitierte daraufhin die sich bei Homer wiederholende Zeile über die ›Morgendämmerung mit ihren Rosenfingern‹, die ich hasse und die mir jedesmal auf die Nerven geht, wenn ich sie höre. Dann wusch ich mir sehr gründlich Gesicht und Hände, als spülte ich zusammen mit dem getrockneten Blut noch etwas anderes ab, und benutzte einen Stein, um das schartige Loch in der Mitte meines Brustpanzers, wo die Speerspitze durchgestoßen war, flachzuschlagen, damit ich mich daran nicht schneiden konnte. Natürlich war die Spitze nicht einmal bis zu meiner Haut vorgedrungen – wie sollte sie auch? Schließlich war ich unsterblich. Sodann machte ich mich auf den Weg, um meine Verpflegung zu holen, und hörte unterdessen, daß auch einige meiner anderen Freunde gefallen waren, aber diese Neuigkeit bedeutete mir nichts; sie war so aufregend wie die Nachricht, daß man dieses Jahr in Libyen eine recht gute Silphionernte gehabt habe, oder wie etwas ähnlich Aberwitziges und Bedeutungsloses.
    Den ganzen Morgen über kehrte der Rest des Heers nach und nach zurück; wir hatten schwere Verluste erlitten, da viele unserer Männer in die falsche Richtung losgegangen und von der feindlichen Reiterei regelrecht niedergeritten worden waren, als es für deren Einsatz hell genug gewesen war. Ich erinnere mich, gehört zu haben, daß ein winziger Trupp Verbündeter aus einer nichtgriechischen Stadt irgendwo im fernen Süden Siziliens bis auf einen einzigen Mann vollkommen ausgelöscht worden war und daß dieser Mann noch Tage später mit vollkommen hilflosem Gesichtsausdruck im Lager umherlief, da niemand überlebt hatte, der seine Sprache verstand. Ich wußte, wie er sich fühlte.

4. KAPITEL
     
    Am nächsten Tag kamen Boten von den Syrakusern und verkündeten einen Waffenstillstand, damit wir nach Kriegsbrauch ohne Behinderung unsere Toten einsammeln konnten. Zudem bedankten sie sich für die riesige Menge an Rüstungen und Waffen, mit denen wir ihre Kriegsanstrengungen während unserer Flucht belohnt hätten. Sollten wir noch mehr davon haben, ließen sie verlauten, nähmen sie diese mit Freuden entgegen, denn obwohl sie für den Eigenbedarf und selbst für den Bau von Siegesdenkmälern schon jetzt mehr als genug hätten, könnten sie den Überschuß jederzeit an ihre Verbündeten, die Spartaner, verkaufen.
    Ich glaube, die Katastrophe auf dem Epipolai raubte Nikias für eine Weile den Verstand. Denn im Gegensatz zu ihm meinte Demosthenes, der kein Dummkopf war, daß für uns überhaupt keine Hoffnung mehr auf eine Eroberung Syrakus’ bestehe und daß wir am besten nach Hause führen, solange dies noch möglich sei. Die Syrakuser, so Demosthenes, kämen sich nach ihrem Sieg ganz unerträglich groß vor und unternähmen womöglich sogar den Versuch, mit uns zur See zu kämpfen, wo wir theoretisch immer noch überlegen seien. Doch Nikias lehnte das alles ab. Er sagte, ohne Befehl aus Athen trete er keinesfalls die Heimfahrt an, da man ihn bestimmt vor Gericht stellen und hinrichten werde,

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