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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Schwierigkeiten geraten würden, wenn sie sich nicht beeilten und die Athener erledigten, solange sich diese noch nicht von der Niederlage erholt hatten. Es ist durchaus denkbar, daß diese Auslegung die richtige war. Die Syrakuser kreuzten absichtlich direkt vor den Augen unserer Streitmacht mit ihren Schiffen vor der Küste herum und führten dabei die verschiedenen Standardmanöver durch. Im athenischen Lager gingen die Meinungen über die Qualität der Seemacht unseres Feindes weit auseinander. Einige von uns, einschließlich mir, glaubten, daß die Syrakuser ein hohes Maß an Können und Fachkenntnis bewiesen, das uns letztlich davon abbringen sollte, uns weiterhin mit ihnen einzulassen, insbesondere auf See. Diejenigen von uns, die alles über den Seekrieg wußten oder zu wissen vorgaben, waren der Ansicht, die Syrakuser verstünden von der Kunst der Kriegsführung zur See sowohl theoretisch als auch praktisch so viel wie das eine oder andere Haustier aus ihrem Bekanntenkreis. Wie man es von einer solchen Zusammenkunft athenischer Bürger nicht anders erwarten konnte, wurde zwischen den Verfechtern der beiden Auslegungen ein entsprechend genialer Kompromiß erzielt, nämlich daß die Syrakuser sowohl zur See als auch zu Land ein beachtenswerter Gegner seien und uns durch die alberne Vorführung, die sie für uns abgezogen hatten, nur in trügerischer Überlegenheit wiegen wollten, um uns zu einer verhängnisvollen Schlacht zu verleiten.
    Nach einem mehrtägigen Manöver versuchten sie es vom Meer aus mit einem kleineren Angriff auf einen Teil unserer Stellung an Land, und es gelang ihnen, einen Großteil der wenigen Pferde unserer Reiterei davonzujagen. Dadurch ermutigt, ließen sie sofort einen Großangriff zu Land und zu Wasser folgen. Als unsere Männer an Land den Befehl erhielten, sich zu formieren, drängelte ich mich in die vorderste Reihe, weil ich unbedingt meine Unsterblichkeitstheorie erproben wollte, die für mich seit dem nächtlichen Gefecht zur Zwangsvorstellung geworden war. Als erst einmal feststand, daß es zum Kampf kommen würde, war, das kann ich in aller Ehrlichkeit behaupten, meine Angst wie weggeblasen. Ich verspürte sogar eine unnatürliche Gelassenheit, und als wir aus dem Lager auf den Feind zumarschierten, begriff ich plötzlich auch, warum. Die Syrakuser konnten mich gar nicht umbringen: Ich war bereits tot. Seit Tagen war ich tot, schon seit der Zeit auf dem Epipolai. Im Grunde lebte ich seit der Pest nicht mehr; ich war damals noch zu jung gewesen, um das bereits begreifen zu können, und war seither nie lange genug bewegungslos geblieben, als daß die Leichenstarre richtig hätte einsetzen können. Diese Erkenntnis teilte ich sogleich Kallikrates mit, der mich mit einem höchst seltsamen Blick musterte und sich besorgt nach dem Schlag auf den Kopf erkundigte, den ich von jenem Syrakuser erhalten hatte, der schließlich vom kleinen Zeus getötet worden war, woraus ich entnahm, daß er mich offenbar nicht richtig verstand.
    Der zur See ausgetragene Teil der Schlacht war für unsere Seite eine absolute Katastrophe, deren einzig versöhnender Zug im Tod unseres Heerführers Eurymedon bestand, den dieser seiner eigenen bodenlosen Dummheit zuzuschreiben hatte. Diese Niederlage wurde auch dadurch nicht unbedingt erträglicher, daß unsere Landstreitkräfte im Vergleich dazu einen Sieg errangen (bei dem ich übrigens überhaupt keine Rolle spielte, weil mein Truppenabschnitt nicht eingesetzt wurde), indem sie den Feind am Anzünden derjenigen unserer Schiffe hindern konnten, die von den Syrakusern zuvor nicht versenkt worden waren und die in den Schutz der Küste geflohen waren.
    Ich denke, es war diese Niederlage, die schließlich den Mut unseres Heeres brach. Ein Athener glaubt an seine Flotte wie der Mensch an die Götter, und es war, als hätte gerade irgendein boshafter Mann – zum Beispiel Sokrates oder Diagoras der Melier – schlüssig und unwiderlegbar bewiesen, daß es die Götter nicht gibt. Nach dem Ende der Schlacht schien ein jeder im Lager völlig niedergeschlagen zu sein. Es herrschte keine Panik oder Hysterie, man nahm lediglich die Niederlage bedingungslos hin. Es war noch viel schlimmer als nach dem Kampf auf dem Epipolai, nach dem die Soldaten zwar auch Angst und Wut und erheblichen Kummer empfunden hatten, aber wenigstens damit beschäftigt gewesen waren, die Gefallenen zu begraben, Ränke gegen die Heerführer zu schmieden, sich um die Verwundeten zu kümmern und

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