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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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sobald er die Stadt betrete, und zur Flucht nach Sparta sei er zu alt und zu müde. Überdies habe er verläßliche Informationen aus Syrakus, daß die dortige oligarchische Partei (die immer noch sehr stark war) über den zunehmenden Einfluß der Demokraten nach dem Sieg sehr beunruhigt und bereit sei, uns auf jede von uns gewünschte Art zu helfen. Woher Nikias das gehört haben wollte, zumal erst Stunden seit der Schlacht vergangen waren, wußte niemand. Aber er blieb eisern bei seinem Entschluß, sein Heer nicht zurückzuführen, obwohl er einräumte, daß Demosthenes natürlich tun könne, was ihm beliebe. Die beiden Befehlshaber stritten sich noch stundenlang, und ihre jüngeren Mitstreiter Menander und Eurymedon steuerten so hilfreiche Kommentare bei wie: »Gute Gründe haben beide Seiten« oder »Was fragt ihr mich? Das ist allein eure Sache.«
    Wir blieben also, wo wir waren, und vertrieben uns die Zeit mit dem Einsammeln und Bestatten der Gefallenen. Das war, wie Sie sich vorstellen können, eine gräßliche Beschäftigung, die mich jedoch aus irgendeinem Grund weit weniger bedrückte als meine Kameraden. Zwar hielt ich mich ein gutes Stück von der Stelle fern, ein der der kleine Zeus gefallen war, aber ansonsten erledigte ich einfach meine Arbeit, die sehr anstrengend war, wie jeder, der sie einmal verrichtet hat, bezeugen wird. Ich erinnere mich jedoch, daß wir statt der recht prächtigen und würdevollen Feier, die die Athener im allgemeinen bei der Bestattung gefallener Kameraden begehen, lediglich eine Reihe großer runder Vertiefungen in der Form von Korngruben aushoben und die Leichen dort hineinwarfen. Aber die Löcher waren nicht tief genug, und am Schluß hatten wir die Nase von der Sache so gestrichen voll, daß wir uns nicht einmal mehr dazu aufraffen konnten, eine zusätzliche Grube für die übriggebliebenen Leichen zu schaufeln. Deshalb stopften wir sie so gut wie möglich bei den anderen mit hinein und bedeckten sie mit Steinhaufen, um die Hunde davon fernzuhalten. Etliche Leute, darunter auch Kallikrates, waren über diese Vorgehensweise überhaupt nicht erfreut, aber was mich betrifft, war mir das vollkommen gleichgültig.
    Als ich am darauffolgenden Tag Aristophanes begegnete, besaß ich nicht einmal den Mut, ihm den Kopf einzuschlagen, obwohl es eigentlich meine Pflicht gewesen wäre. Selbstredend hatte er sich stark für die Kampagne zur Anklage der Heerführer eingesetzt, die die Strafverfolgung und Verurteilung von Nikias, Demosthenes, Menander und Eurymedon für die Zeit nach unserer Rückkehr vorbereitete. Eine derartige Kampagne gibt es immer, wenn ein athenisches Heer ins Feld rückt. Häufig fängt sie schon an, noch bevor die erste Schlacht geschlagen ist, und in besonders schwerwiegenden Fällen hat sie ihren Vorsitzenden und den übrigen Vorstand bereits vor dem Auslaufen der Truppenschiffe aus dem Piräus ernannt. Jedenfalls war Aristophanes in seinem Element. Mit einigen in politischen Prozessen erfahrenen Leuten ging er die geplanten Anklagepunkte durch und feilte an seiner Rede. Wer wen vor Gericht bringen durfte, hatte man ausgelost, und Aristophanes war nur Eurymedon zugefallen, was für ihn wohl eine herbe Enttäuschung war. Ich nehme stark an, daß er sehr viel lieber Nikias oder Demosthenes angeklagt hätte, für die er seinerzeit im Theater noch so beherzt eingetreten war. Jedenfalls besaß Aristophanes jetzt die Frechheit abzustreiten, mich im Gefecht auch nur gesehen zu haben, ganz zu schweigen davon, durch mein Eingreifen vor dem Tod bewahrt worden zu sein.
    Mehrere Tage vergingen, und ich glaube, Demosthenes gelang es schließlich, Nikias zur Heimkehr zu überreden, indem er ihm sagte, daß ihre Hauptverantwortung, was immer ihnen auch persönlich zustoße, den Männern unter ihrem Kommando gelte, deren Sicherheit an erster Stelle stehen müsse. Das war der Ton, in dem man mit Nikias reden mußte, und schon bald machte das heilsame Gerücht die Runde, daß wir uns demnächst wieder auf dem Nachhauseweg befänden. Wie Sie sich vorstellen können, herrschte darüber einhellige Freude. Das gesamte Heer hatte von Sizilien und sogar vom großen Peloponnesischen Krieg die Nase gestrichen voll, wobei ich glaube, daß aufgrund der großen Hoffnungen und Erwartungen, mit denen wir damals aufgebrochen waren und die sich jetzt in tiefste Verzweiflung verwandelt hatten, die Reaktion so heftig ausfiel. Plötzlich sprachen die Männer wieder über den Feind (den seit dem

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