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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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schauspielernder Korinther fliege auf. Wenn überhaupt irgendwer jemandem das Leben gerettet habe, dann eigentlich er mir. Erst einmal wußte ich nicht, was ich darauf antworten sollte, aber dann fiel mir etwas Passendes ein. Ich sagte ihm, er könne leider nicht auf dem Pferd reiten, denn selbst wenn ich von dem Gott die Anweisung erhalten hätte, auf ihn, diesen Dreckskerl, aufzupassen, dächte ich doch nicht im Traum daran, mir dabei Blasen an den Füßen zu holen.
    Für Aristophanes sprach, daß er das alles sehr gut wegsteckte; und abgesehen von seinen gelegentlichen Versuchen, mich vom Sattel hinunterzuziehen, fand er sich mit den Umständen schließlich wie ein ganzer Mann ab. Zum Glück war ich an diesem Morgen vor Aristophanes aufgewacht und aufgestanden und hatte bereits auf dem Pferd gesessen, noch bevor er die Augen geöffnet hatte. Wogegen er etwas einzuwenden gehabt hatte, war meine sehr vernünftige Absicht gewesen, weiterhin unsere Rollen als Herr und Sklave zu spielen. Er konnte sein Leben nicht selbst schützen, weil er keinen dorischen Akzent zu sprechen vermochte – ich hörte ihn mehrmals sehr sorgfältig ab, wobei er sich als völlig hoffnungsloser Fall erwies –, und deshalb brauchten wir dringend einen Grund, warum ein Korinther einen Athener nach Catina mitnahm. Die einzig mögliche Erklärung war, daß es sich bei ihm um meinen Sklaven handelte, den ich nach Leontini bringen wollte, um ihn auf dem dortigen Markt zu verkaufen, zumal es dort kein solch großes Überangebot an Athenern geben würde und ich vielleicht einen ansehnlichen Preis erzielen könnte. Und wenn wir vorhatten, Herr und Sklave zu spielen, lag es auf er Hand, daß der Herr auf dem Pferd reiten und der Sklave zu Fuß gehen mußte. Zwar fiel Aristophanes kein (vernünftiger) Einwand dagegen ein, aber er beklagte sich ständig darüber, das Lederband um den Hals tragen zu müssen. Das sei erniedrigend, jammerte er, und er bekomme davon Halsschmerzen. Außerdem, wandte er ein, was wäre, wenn ich mich in meine Rolle hineinsteigern und ihn in Leontini tatsächlich als Sklaven verkaufen würde? Das traute er mir glatt zu, und ich muß zugeben, daß ich wirklich kurz mit dem Gedanken gespielt hatte. Als uns ein syrakusischer Reitertrupp anhielt, wurde meine Idee mit der Tarnung jedoch auf triumphale Weise bestätigt, obwohl der Sohn des Philippos selbst das einfach nicht einsehen wollte.
    »Die haben uns doch überhaupt nicht gefragt, was wir machen oder so«, protestierte er. »Die wollten nur wissen, ob wir irgendwelche Athener gesehen haben.«
    »Siehst du?« entgegnete ich. »Wir waren so überzeugend, daß sie die Frage nicht für nötig hielten.«
    »Wenn ich nach Hause komme, werde ich dich wegen Versklavung eines athenischen Bürgers anzeigen.«
    »Wenn du nach Hause kommst, wirst du mir vierzig Statere bezahlen.«
    »Du elender Wucherer!« fluchte er. »Du hast nur zehn für mich bezahlt.«
    »Und was ist mit meinem wohlverdienten Gewinn?«
    »Solche Witze reißt du auch nur, weil du auf dem Pferd sitzt.«
    Indem wir uns dicht an den Bergabhängen und immer links von den Gipfeln hielten, konnten wir, wie ich wußte, nicht allzuweit vom Weg abkommen. Möglicherweise stellen Sie sich die berechtigte Frage, wie ich mich zu einem solchen Fachmann bezüglich der Geographie des südöstlichen Siziliens hatte entwickeln können. Nach der Seeschlacht war es mir gelungen, einen Blick auf eine riesige Karte zu werfen, die in eine Bronzeplatte gestochen und mit dem Namen des berühmten Geographen Histiaios versehen war. Ich fand die triefnasse Karte am Strand. Mit Sicherheit stammte sie von einem der versenkten syrakusischen Schiffe, denn ich wußte ganz genau, daß niemand in unserem Heer solch eine Karte besaß. Kallikrates hatte schließlich darauf bestanden, sie den Heerführern zu übergeben, aber erst nachdem wir sie uns in Gedanken eingeprägt hatten. Dank der Karte glaubte ich ziemlich sicher zu wissen, in welche Richtung wir gehen mußten, und wenn die von mir geschätzte Entfernung auch nur annähernd zutraf, rechnete ich damit, nicht mehr als eine Woche zu benötigen, falls nichts dazwischenkam. Mit dieser Seite des Problems war ich also alles in allem recht zufrieden. Was mir Sorgen machte, war die Art und Weise, wie wir dort hinkommen sollten. Wir hatten weder Proviant noch Wasser, kein Geld und nichts zum Tauschen, bis auf Aristophanes’ Umhang und mein Schwert, Gegenstände also, die wir nicht anbieten konnten,

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