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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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hätte er auch gewußt haben sollen, daß er es hier mit dem Gott der Komödie zu tun gehabt hatte? Um ihm Glück zu bringen – verständlicherweise verspürte ich davon ein Übermaß in mir –, spuckte ich ihm ins Gesicht und riß das Pferd herum.
    Dann gab ich dem Tier einen heftigen Tritt, und es schlug einen langsamen Trab an, der nicht annähernd ausreichte, also trat ich es nochmals und beschimpfte es mit diversen Bezeichnungen, die sich Komödiendichter normalerweise für ihre rivalisierenden Kollegen aufsparen. Das schien zu wirken, denn das Pferd nahm sofort einen federnden schnellen Galopp an. Wenn ich es mir heute recht überlege, hatte ich wahrscheinlich ein sehr gutes Pferd erwischt, obwohl ich damals keine besonders hohe Meinung von ihm hatte.
    Hinter mir ritten zwar mindestens zwei Syrakuser, aber irgendwie kratzte mich das alles nichts. »Komm schon, Eupolis, du nimmst die ganze Sache nicht ernst genug«, ermahnte ich mich immer wieder, doch mein Herz weigerte sich zuzuhören. Wovor hätte ich mich auch fürchten sollen? Ich war völlig losgelöst, dem Irdischen entrückt.
    Anscheinend wußte das Pferd, wohin es lief, und nach einer Jagd, die nach meinem Dafürhalten diesen Namen nicht verdient hatte, zügelten meine Verfolger die Pferde und kehrten um. Ich galoppierte noch eine Weile weiter und ließ mein Pferd dann im gemächlichen Handgalopp weiterlaufen. Als ich mich umsah, erkannte ich das Bauernhaus nicht mehr, nicht einmal die Wipfel der Olivenbäume im ummauerten Obstgarten. Außer mir befand sich niemand auf der Straße von Heloros, und inzwischen ging es auf den Abend des sechsten Tags nach dem Gefecht im Hafen zu.
    Ich machte eine Pause, um das Pferd aus einem kleinen Bach trinken zu lassen, und stellte fest, daß mein Verstand nach wie vor scharf und klar war. Wo Catina lag, wußte ich ziemlich genau. Um dorthin zu gelangen, mußte ich von der Küste aus landeinwärts reiten und das Gebirge bei Akrai umgehen, das ich mich nicht zu durchqueren traute, weil direkt dahinter, am anderen Ende des Flusses Anapos also, Syrakus lag. Danach müßte ich Leontini zu meiner Rechten liegen lassen und den Symaithos überqueren, bevor ich durch das Flachland nach Catina käme. Diese Strecke mochte nicht weniger als hundert Meilen lang sein, und sämtliche großen Städte, an denen ich auf dem Weg dorthin vorbeireiten müßte, waren Verbündete von Syrakus. Als zweite Möglichkeit bot sich mir der Versuch an, mich Nikias’ Männern anzuschließen, die sich vermutlich nicht allzuweit vor mir auf der Straße befanden. Doch an diesem Plan fand mein Herz keinen Gefallen. Wahrscheinlich war es zur Zeit an keinem Ort sicher, an dem sich in diesem Land Athener in beträchtlicher Zahl aufhielten.
    Folglich war es für mich das beste, mich auf den Weg nach Catina zu machen. Ich schaute zu den Bergen rechts von mir hinauf und dankte Dionysos, daß ich zu Hause im attischen Bergland aufgewachsen war. Wenn man sich auskennt, kann man sich in den Bergen ganz mühelos davon ernähren, was das Land hergibt, und sich schwer auffindbar machen. In den flachen Ebenen und Tälern läßt es sich nicht verhindern, bemerkt zu werden – was vermutlich auch der Grund ist, weshalb die Bewohner des Flachlands so gesellig sind, während die Bergbewohner mehr dazu neigen, sich zurückzuziehen und mißtrauisch zu sein. Ich nahm Helm und Brustpanzer ab und warf sie unter einen Feigenbaum – beides war völlig verbogen und verbeult, und mir tat es nicht leid, das Zeug los zu sein. Selbst mein Schwert wollte ich anfangs wegwerfen, aber es war schon seit vielen Jahren in Familienbesitz, und außerdem brauchte ich etwas, um Holz zu schneiden und Stöcke anzuspitzen. Damit es nicht so leicht zu erkennen war, wickelte ich es in meinen Umhang und versuchte mich daran zu erinnern, wie man einen dorischen Akzent nachahmt. Diesbezüglich handelte es sich um einen weiteren Glücksfall, denn in der Vergangenheit hatte ich in meinen Komödien viele Dorier wie zum Beispiel Spartaner, Megarer und dergleichen auftreten lassen, und da ich nun einmal den Ehrgeiz besitze, die Dialekte in meinen Stücken richtig hinzubekommen, hatte ich mir die Mühe gemacht, so vielen Doriern wie möglich aufs Maul zu schauen, um dann zu Hause Dorischsprechen zu üben – was Phaidra übrigens regelmäßig zur Weißglut getrieben hatte. Natürlich hegte ich nicht die Hoffnung, als Syrakuser oder als irgendein anderer Sizilianer durchzugehen, aber wahrscheinlich als

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