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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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kroch unter dem Maultier hervor, rannte zu mir herüber und begab sich hinter einem Todesängste ausstehenden Dorfrichter in Deckung.
    »Also gut, laß ihn frei!« befahl mir der Truppführer.
    »Warum?« wollte ich wissen.
    »Weil ich dir den Kopf abschlagen werde, wenn du es nicht tust, darum«, verdeutlichte der Truppführer seine Forderung.
    Ich riß den Dorfrichter heftig an den Haaren, woraufhin dieser wie eine Maus piepste, und ich rief: »Sei doch ehrlich! Gerade wenn ich ihn freilasse, schlägst du mir den Kopf ab. Ich wollte schon immer jemanden von der hiesigen Obrigkeit umbringen, jetzt habe ich endlich die Gelegenheit dazu.«
    »Laß ihn frei, dann schonen wir euer Leben«, sagte der Truppführer. Dadurch, daß seine Reiter – es waren insgesamt zehn – uns demonstrativ mit den Schwertern drohten, wurde die Wirkung dieses Angebots ein wenig geschmälert, und ich schüttelte energisch den Kopf.
    »Na schön, was willst du dann?« fragte der Truppführer gereizt. »Etwas Ehrlicheres kann ich doch nicht vorschlagen, oder?«
    »Das käme auf einen Versuch an«, erwiderte ich.
    »Wenn du glaubst, du kommst ungeschoren davon, wenn du unseren…«, drohte der Truppführer, woraufhin ich dem Dorfrichter einen kleinen Stoß versetzte, der liebenswürdigerweise aufschrie.
    »Verschwindet!« brüllte ich. »Auf der Stelle! Schnell! Erspart euch den Ärger, im Ort demnächst Wahlen abhalten zu müssen, die nur Zwietracht säen.«
    Einer der Reiter war wohl ein Verwandter oder Freund des Dorfrichters oder so etwas Ähnliches. Jedenfalls riß er sein Pferd herum und ritt in Richtung Dorf davon. Der Truppführer war wütend, wußte aber, daß er sich geschlagen geben mußte. »Laß ihn frei, dann ziehen wir uns zurück!« schlug er erneut vor.
    »Ihr haut ab, und dann laß ich ihn frei«, entgegnete ich. »Abgemacht?«
    »Du kommst nicht ungeschoren davon«, drohte mir der Truppführer zum wiederholten Male.
    »Ach, da wäre ich mir nicht so sicher«, erwiderte ich. »Hast du mal den Telephos gelesen?«
    Der Truppführer starrte mich verdutzt an. »Den was?«
    »Den Telephos. Eine ganz schlechte Tragödie von Euripides. Nun ja, vielleicht war das auch vor deiner Zeit, keine Ahnung.«
    Der Truppführer musterte erst mich, dann den Dorfrichter und meinen thrakischen Säbel (der, wie ich schon früher erwähnt zu haben glaube, ein ungemein wirksam aussehendes Werkzeug ist), dachte genau nach und sagte schließlich: »Ja, den Telephos habe ich gelesen. Warum?«
    »Wie du dich erinnern wirst, probiert die Titelfigur im Telephos genau dasselbe Kunststück aus und kommt auch ungestraft davon. Wenn so etwas sogar irgendein geschwätziger Narr aus einer Tragödie von Euripides kann, warum sollte ich es dann nicht auch können?«
    Zwar habe ich keine Ahnung, warum, aber dieser Wortwechsel schien dem Truppführer zu einem Entschluß zu verhelfen. Er stieg vom Pferd, gab seinen Männern zu verstehen, seinem Beispiel zu folgen, und setzte sich rückwärts in Richtung Dorf in Bewegung, während ich, ebenfalls rückwärts, in die entgegengesetzte Richtung ging. Als wir uns nach meinem Dafürhalten weit genug entfernt hatten, gab ich dem Dorfrichter einen kräftigen Stoß und rannte davon, so schnell mich meine Beine trugen.
    Es verging eine ziemliche Zeit, bevor ich mich traute, stehenzubleiben und mich umzusehen. Von Reitern war keine Spur zu entdecken, genausowenig wie von Aristophanes. Ich schleuderte das Schwert zu Boden und fluchte. Trotz meines albernen und vollkommen untypischen Wagemuts war es mir nicht gelungen, Aristophanes zu retten. Ich setzte mich auf einen Stein und legte mein Schwert neben mich; der Feind und alles andere um mich herum interessierten mich nicht mehr besonders. Durch die unmittelbare Erinnerung an den Vorfall mit dem Dorfrichter sowie an meine unsinnigen Drohungen und alle die anderen albernen Sachen, die ich gesagt hatte, war ich derart ausgelaugt, daß ich nur noch schlafen wollte. Ich hatte mich gerade zu dem Entschluß durchgerungen, zurück ins Dorf zu gehen und mich zu stellen, als ein sehr eingeschüchtert wirkender athenischer Komödiendichter die Straße entlang auf mich zugestampft kam.
    »Verdammt noch mal, wo bist du denn gewesen?« schrie ich. »Mann, ich habe mir Sorgen um dich gemacht!«
    Er hörte nicht zu rennen auf, sondern lief geradewegs weiter an mir vorbei, und ich weiß noch, wie ich gedacht habe, Du meine Güte, die Reiterei!, und ihm hinterhergejagt bin. Schließlich wurde

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