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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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ziehen, und so lautete selbstverständlich auch der Entschluß, den wir schließlich faßten.
    Ich will damit nicht sagen, daß es sich hierbei um die dümmste gemeinsam gefaßte Entscheidung aller Zeiten handelte. Vielleicht erinnern Sie sich zum Beispiel, daß Theseus zu dem Schluß kam, es sei durchaus machbar, die Göttin der Unterwelt zu entführen, und Ikaros sah keinen Grund, warum er nicht noch das kleine Stückchen höher fliegen sollte, um seinem Flug nach Griechenland durch einen besseren Blick über das nördliche Kreta so ein wenig prickelnde Würze zu verleihen. Nach wie vor behaupte ich, daß das die dümmste Entscheidung seit Menschengedenken war, und man muß mir schon die eidlichen Aussagen von wenigstens zwei angesehenen Zeugen vorlegen, bevor ich meine Meinung ändere.
    Unsere letzte Nacht in den Bergen verbrachten wir mit Zanken, und am nächsten Morgen machten wir uns in aller Frühe an die Durchquerung der Ebene. Die Hitze an jenem Tag war schier unerträglich, und das Maultier erinnerte sich wahrscheinlich an eine gehässige Bemerkung von Aristophanes über seine im früheren Leben betriebene Außenpolitik, denn es blieb so oft stehen und setzte sich genauso oft wieder in Bewegung, als nähme es an einer heiligen Prozession während eines Gewitters teil. Kurz darauf befanden wir uns in offenem Gelände und folgten einer eindeutigen Hauptstraße. Die Vorübergehenden (von denen uns für meinen Geschmack viel zu häufig welche begegneten) schienen alle stehenzubleiben und uns anzustarren, während wir uns ungleichmäßig auf das kleine Dorf am Horizont zubewegten. Was das Mißtrauen dieser Menschen am stärksten erregte, kann ich nicht sagen, aber die Tatsache, daß wir unser Maultier im ionischen Dialekt anbrüllten, muß sie zumindest neugierig gemacht haben. Was immer auch der Grund war, sie fühlten sich offenbar so unbehaglich, daß sie uns dem Truppführer der Reiterei im Dorf meldeten, der die Gegend nach vereinzelten Athenern auf dem Weg nach Catina durchstreifte.
    Davon hatten wir natürlich keinerlei Ahnung, als wir, während wir noch miteinander über unsere nächsten Schritte stritten, an einem kleinen Gehölz vorbeikamen. Durch das plötzliche Auftauchen von drei Männern in Rüstung, die uns den Weg versperrten, schien unser derzeitiges Problem nicht mehr diskussionswürdig.
    Meine erste Reaktion war, vor Schreck aufzuschreien und loszurennen. Doch einer der Männer stürzte vorwärts, ergriff die Zügel des Maultiers und fragte: »Bei Zeus, seid ihr Athener?« Das fragte er auf Ionisch.
    »Ja«, antwortete mein geistesschwacher Gefährte, »ich bin Aristophanes, Sohn des Philippos, und stehe euch zu Diensten. Seid ihr auch Athener?«
    Jetzt warf ich einen genaueren Blick auf diese drei Männer. Sie sahen verschmutzt, zerlumpt und ausgehungert aus. Es war eine klare Sache, daß es sich bei ihnen um Athener handelte. Ihr Wortführer dankte wortreich den Göttern und bat uns um die Auskunft, wo Catina liege und ob wir etwas zu essen hätten.
    »Catina liegt dort drüben«, sagte der Sohn des Philippos, »und zu essen haben wir für alle mehr als genug.«
    Zwar versuchte ich, gegen diese letzte Behauptung Einwände zu erheben, doch Aristophanes wollte keine zulassen, und schon sehr bald hatten wir uns alle ins Gehölz zurückgezogen und die letzten paar Kornhülsen aus dem Getreidesack verspeist.
    Unsere drei Landsmänner gehörten zu Nikias’ Truppe und hatten Furchtbares durchgemacht. Nachdem sie alles Eßbare bis auf das Maultier verzehrt hatten (zu dem sie, soweit es mich betraf, herzlich eingeladen gewesen wären), erzählten sie uns ihre Geschichte. Nikias und sein Führungsstab waren entweder tot oder saßen in Gefangenschaft; die Syrakuser hatten sie eingekesselt und zu einem Fluß hinuntergetrieben. Da das gesamte Heer zu dieser Zeit vor Durst fast verrückt war, warfen die Männer ihre Waffen zu Boden, drängten sich in den Fluß, um zu trinken, und wurden dabei von den Syrakusern erschossen. Aber die Athener tranken weiter, obwohl das Wasser inzwischen von Blut durchzogen war, und kämpften gegeneinander darum. Nachdem die Syrakuser ihre Köcher leergeschossen hatten, griffen sie die Athener an, brachten so viele um, wie sie Lust hatten, und nahmen die wenigen Überlebenden gefangen. Doch fünfzehn Nachbarn aus Eleusis war es dennoch gelungen, sich gemeinsam herauszukämpfen. Von dieser Gruppe hatten es diese drei bis hierher geschafft. Die übrigen zwölf dienten

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