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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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jener Nacht Aristophanes aus, der zunächst keinen glücklichen Eindruck machte. Als ich ihn schließlich aus dem Faß zog, hatte er sich die Anschuldigungen und Verwünschungen eines ganzen Tages aufgehoben, von denen ihm der größte Teil in den ersten fünf Minuten seiner wiedergewonnenen Freiheit über die Lippen zu kommen schien. Doch ich beachtete ihn einfach nicht; er langweilte mich entsetzlich, und ich sah in ihm nicht mehr als eine lästige und leicht verderbliche Ware, die ich nach Catina zu liefern hatte. Schließlich versteckte ich ihn für die Nacht unter dem Karren, legte mich schlafen und träumte zunächst, ich sei Pelopidas, Sohn des Temenos. Doch diese Wunschvorstellung verwandelte sich leider in einen Traum vom Garten hinter der Mauer – eigentlich war dies das erstemal, daß mich dieses Erlebnis im Schlaf verfolgte –, und ich wachte zitternd und schweißgebadet mitten in der Nacht auf. Das wiederum überzeugte mich davon, daß ich nun ebenfalls Fieber hatte, und die Sorge darum hielt mich für den Rest der Nacht wach.
    Als Aristophanes aufwachte, nahmen wir zum Frühstück jeder einen halben Laib Weizenbrot, einen Becher Wein, eine Wurst und eine Handvoll Feigen zu uns – die beste Mahlzeit, die wir seit unserer Landung auf Sizilien gehabt hatten. Es war ein herrlicher Morgen, warm, aber nicht zu heiß, und über den Berggipfeln hinter uns spielte sich ein atemberaubender Sonnenaufgang ab. Wir wuschen uns im Fluß, und dann teilte ich Aristophanes mit, es sei Zeit für ihn, zurück ins Faß zu steigen. Zu meiner großen Überraschung weigerte er sich.
    »Die Oliven stinken«, wehrte er sich. »Wenn ich da wieder rein muß, sterbe ich.«
    »Wie du willst«, entgegnete ich. »Wenn du allerdings nicht wieder ins Faß kletterst, muß ich dich leider umbringen.« Als ich mit einer beiläufigen Geste meinen Säbel zog und ihn mir auf die Knie legte, starrte Aristophanes mich entsetzt an.
    »Tut mir leid«, sagte ich, »aber so ist das nun mal. Ich kann es mir nicht leisten, dich allein losziehen zu lassen. Man wird dich sofort als Athener erkennen, und dann werden sie kommen und nach mir suchen. Deshalb muß ich dich umbringen und begraben, und zwar am besten« – ich blickte mich rasch um – »dahinten unter dem Steinhaufen. Ich gebe dir einen Stater für den Fährmann, aber mehr kann ich dir nicht anbieten.«
    Aristophanes öffnete den Mund, doch es kam nichts heraus, und plötzlich begriff ich, was ich da eben gesagt hatte. Ich hatte keinen Spaß gemacht – ich hätte es wirklich getan, und das war ein furchtbares Gefühl.
    Ich stand auf, und Aristophanes ging vor mir sichtlich in Deckung. »Also, steigst du jetzt wieder ins Faß oder…?« forderte ich ihn unmißverständlich auf.
    »Ja, ja, sofort«, stammelte der Sohn des Philippos kleinlaut.
    »Braver Junge. Aber vorher sollten wir lieber die Oliven auskippen. Hilf mir mal mit dem Faß, ja?«
    Wir schütteten die Oliven aus und stellten das Faß in die Halterung zurück, dann kletterte Aristophanes hinein, und ich bedeckte ihn erneut mit den Oliven. »Kriegst du noch Luft?« fragte ich ihn, woraufhin er mir versicherte, genug Luft zum Atmen zu haben.
    »Dann ist ja alles klar. Gut, es wird Zeit, daß wir loskommen.« Ich verschloß das Faß mit dem Deckel und schob den Ochsen rückwärts zwischen die Deichseln. Es war ein gutes Tier, gefügig und gut erzogen. Ich mochte diesen Ochsen. Dann ergriff ich die Zügel, und schon waren wir wieder unterwegs.
    Noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir das Meer, und bei seinem Anblick fühlte ich mich wieder wie ein kleines Kind. Das Meer war gewaltig und wunderschön und freundlich, und an seinem anderen Ende befand sich Athen in Attika und Pallene und mein dortiges Haus und mein Verwalter samt seiner Frau und mein graues Pferd mit dem schwarzen Schweif und mein Haus in der Stadt und meine Frau. Seit ich den Fuß auf sizilianischen Boden gesetzt hatte, hatte ich nicht ein einziges Mal einen Gedanken an Phaidra verschwendet; und jetzt, da mir ihre Existenz wieder eingefallen war, erinnerte ich mich beim besten Willen nicht daran, wie sie aussah. Ich strich den Gedanken aus dem Gedächtnis und wurde wieder zu Pelopidas. Nur noch einen Tag von Catina entfernt. Ob sich die Oliven noch so lange frischhalten würden?
    Ich hatte zur Nacht angehalten und wollte Aristophanes gerade herauslassen, als hinter mir eine Gruppe Männer, die Esel an den Zügeln führten, die Straße entlang kam. Es waren

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