Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer
ungefähr zehn, und ich erkannte schnell, daß es sich um Bauern handelte, die ihre Erzeugnisse in die Stadt brachten. Diese Stadt konnte nur Catina sein.
»Guten Abend, mein Freund«, begrüßte mich einer aus der Gruppe, ein großer Mann mit dichtem grauen Haar. »Unterwegs zum Markt?«
Seine Stimme klang warm und freundlich, und ich antwortete mit einem Lächeln: »Sicher. In dem Faß hier habe ich Oliven.«
Jetzt war der Mann nicht mehr so freundlich, und mir wurde erst jetzt bewußt, daß ich – rein instinktiv – immer noch Pelopidas war. Mein syrakusischer Akzent war so gut geworden, daß der Grauhaarige ihn sofort erkannt hatte. Das Problem war natürlich nur, daß die Catiner die Syrakuser wie die Pest haßten. Hätte ich nicht plötzlich solch eine Angst gehabt, wäre mir zum Lachen zumute gewesen.
So ist das wohl, wenn man mehr Glück als Verstand hat, sagte meine innere Stimme, aus der ich eine scheußliche Selbstgefälligkeit heraushörte, als hätte sie gewußt, daß alles in Tränen enden würde. Da lügt man sich mit Glück und Geschick mitten durch Sizilien hindurch und schafft es, sich aus den schrecklichsten Verlegenheiten zu befreien, ohne sich richtig anzustrengen, und dann, kaum beherrscht man seine Rolle einigermaßen, um als Syrakuser durchzugehen, läuft man einem Haufen Catiner in die Arme, die einen in der Luft zerreißen wollen, weil man kein Athener ist. Das wird einen lehren, was es heißt, wirklich Glück zu haben.
»Woher genau, hast du gesagt, stammst du, mein Junge?« fragte der Grauhaarige. »Vielleicht habe ich es beim erstenmal nicht richtig verstanden.«
»Ich komme aus Pallene«, antwortete ich mit meiner normalen Stimme – die mir bloß nicht normal über die Lippen kam. »Pallene in Attika. Ich bin Athener.«
Der Grauhaarige blickte mich finster an und drohte mir: »Komm mir bloß nicht komisch, Fremder. Wirst du mir jetzt die Wahrheit sagen, oder muß ich sie aus dir herausprügeln?«
In den Tiefen meines Gehirns versuchte ich, irgendeinen Ausweg aus dieser Klemme zu finden, aber es war kein Einfall mehr übrig. »Bei allen Göttern, das darf doch wohl nicht wahr sein!« rief ich. »Ich bin Athener, siehst du das denn nicht? Ich bin einer von Demosthenes’ Männern. Ich war in der Schlacht beim Garten hinter der Mauer dabei, bin aber mit dem Leben davongekommen. Diesen Karren habe ich vor Leontini gestohlen, weil Reiter hinter mir her waren, denen ich etwas vormachen mußte. Ich habe mich gerade eben nur deshalb als Syrakuser ausgegeben, weil ich nicht wußte, daß ich mich schon in eurem Land befinde.«
Die Männer murmelten undeutlich miteinander; offenbar waren sie von meinen Ausführungen nicht überzeugt. Ich wußte nicht, was ich tun sollte.
»Ich glaube dir nicht«, ergriff der Grauhaarige erneut das Wort. »Ich schätze mal, du bist ein syrakusischer Spion, und werde dich mitnehmen. Packt ihn, Jungs!«
»Moment, Moment!« kreischte ich. »Ihr macht da einen wirklich dummen Fehler! Seht mal, in diesem Faß hier habe ich noch einen Athener. Er ist mein Freund, wir sind zusammen geflohen.«
Der Grauhaarige starrte mich entgeistert an. »In diesem Faß?«
»Ja, in dem verdammten Faß! Holt ihn doch raus, wenn ihr mir nicht glaubt!«
Sie schnitten das Faß los und kippten es auf den Boden aus. Erst ergoß sich ein kleinerer Schwall Oliven, und dann kam der äußerst verärgert aussehende Sohn des Philippos herausgekrochen. Er versuchte, sein Schwert zu ziehen, aber die Männer nahmen es ihm vorher ab und fesselten ihm die Hände.
»Athener, daß ich nicht lache!« schimpfte einer der Männer. »Der hat glatt versucht, mich umzubringen.«
»Er konnte dich doch gar nicht hören, schließlich war er im Faß!« wandte ich ängstlich ein. »Er hat gedacht, du bist ein Feind.«
Auch diese Bemerkung gefiel dem Grauhaarigen überhaupt nicht. »Sehen wir etwa wie Syrakuser aus?« fragte er wütend.
»Sehen konnte er euch ja auch nicht, weil er in diesem beschissenen Faß steckte«, erwiderte ich verzweifelt. »Denkst du eigentlich nie nach?«
»Red ja nicht in solch einem Ton mit mir!« warnte mich der Grauhaarige. »Du kannst von Glück reden, daß wir euch nicht auf der Stelle aufhängen.«
»Ach, macht doch, was ihr wollt!« gab ich kläglich zurück.
»Genau das werde ich vielleicht auch tun«, stellte der Grauhaarige fest. Seine Kumpane schienen ihm beizupflichten, denn einer von ihnen wickelte bereits ein Seil von seinem Esel ab. In dem Moment fiel
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