Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer
mir etwas ein. Ich erinnerte mich an den fetten Trockenfischhändler, der während der Aufführung des Heerführers neben mir gesessen hatte. Ich wußte noch, daß er Perikleidas, Sohn des Bellerophon, hieß und nach eigenen Angaben aus Catina stammte. Vor Freude hätte ich heulen können.
»Würdet ihr mir jetzt bitte alle mal zuhören, nur einen Augenblick?« bat ich die Bauern mit eindringlicher Stimme. »In Catina habe ich nämlich einen Freund, der für mich bürgen wird. Perikleidas, Sohn des Bellerophon, der Trockenfischhändler. Kennt den einer von euch?«
»Klar kenne ich den«, bestätigte einer der Männer. »In der Fangzeit verkaufe ich ihm immer Thunfisch. Den kennst du?«
»Ich bin ihm in Athen begegnet.«
»Wenn du ihn kennst, wo wohnt er dann?« wollte der Grauhaarige wissen.
Ich wollte gerade erklären, daß ich ihm nur in Athen begegnet war und man nicht von mir erwarten könne, seine Adresse zu kennen, als mir plötzlich einfiel, daß ich sogar ganz genau wußte, wo er wohnte. Schließlich hatte mir das der Gott mitgeteilt, im Garten hinter der Mauer.
»Gleich neben dem Heiligtum des Dionysos«, antwortete ich, »beim kleinen Tor.«
»Das stimmt, genau dort wohnt er«, bestätigte der Mann, der Perikleidas kannte.
»Das beweist noch gar nichts.« Der Grauhaarige gab nicht auf. »Jeder weiß das.«
»Ich nicht«, warf einer seiner Freunde ein, aber der Grauhaarige überhörte ihn einfach.
»Dann bringt mich doch zu ihm«, schlug ich vor. »Er wird mich bestimmt wiedererkennen.«
Der Grauhaarige dachte kurz nach, dann deutete er auf Aristophanes. »Und wer ist das?«
»Das ist mein Freund«, antwortete ich. »Wie ich es euch schon gesagt habe.«
»Kennt der Perikleidas?«
»Nein, aber Perikleidas ist bestimmt nicht vielen Leuten in Athen bekannt. Hör mal, können wir uns jetzt nicht auf den Weg machen?« drängte ich.
Der Grauhaarige überlegte erneut und nickte. »Du solltest lieber hoffen, daß dich Perikleidas erkennt«, drohte er mir mit finsterer Miene, »denn sonst hänge ich dich, bei Zeus, mit eigenen Händen auf.«
Die Männer packten mich und Aristophanes auf den Karren, und den restlichen Tag verbrachten wir damit, über die Straße nach Catina zu holpern. Auf diese Weise hatte ich dort gewiß nicht eintreffen wollen, und irgendwie hatte ich ein flaues Gefühl im Magen. Hauptsächlich graute mir davor, daß Perikleidas womöglich nicht zu Hause oder im Ausland war, um seinen scheußlichen Fisch zu verkaufen. Das hätte prächtig zu meiner derzeitigen Pechsträhne gepaßt, und dann würde man uns aufhängen und zu Würsten verarbeiten.
Kaum kamen wir in die Stadt hinein, scharte sich eine Menschenmenge um uns, und gleich darauf erregten wir die Aufmerksamkeit eines Richters und einiger Soldaten. Als er gefragt wurde, wen er da auf seinem Karren habe, antwortete der Grauhaarige, das wisse er selbst nicht so genau. Zwar würden wir beide behaupten, wir seien Athener, und Perikleidas könne für uns bürgen, aber falls dies nicht der Fall sei, müßten wir syrakusische Spione sein und sollten aufgehängt werden. Der Richter hielt das für eine überaus vernünftige Lösung und schritt uns durch die Straßen voraus. Einige Leute jubelten uns zu, als wir vorbeikamen, und andere bewarfen uns mit Steinen; das ist es wohl, was man ›auf Nummer sicher gehen‹ nennt.
Der Karren kam holpernd zum Stehen, und man zerrte uns hinunter. Mittlerweile war es ziemlich dunkel, doch rings um uns brannten viele Fackeln, und der ganze Vorgang sah wie eine Mischung aus einer Hochzeit und einer Opferfeier aus.
Schließlich kam der Richter zu uns herüber und sagte an uns beide gewandt: »Also gut, das hier ist Perikleidas’ Haus. Wir werden ja sehen, was er zu sagen hat.«
Laut pochte er an die Tür und rief Perikleidas’ Namen. Während ich eine Zeit wartete, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, und der Sklave herunterkam und die Tür öffnete, dachte ich mit Verbitterung über mein Schicksal nach, das jetzt von solch einem Blödian von Trockenfischhändler abhing, dem ich einst im Theater begegnet war. So etwas kann nur einem Komödiendichter passieren, sagte ich mir und überlegte – nicht zum erstenmal in meinem Leben –, ob ich den richtigen Beruf gewählt hatte.
»Was ist denn los?« fragte der Sklave. Der Anblick so vieler Menschen erschreckte ihn. »Mein Herr ist gerade beim Abendessen.«
»Er wird gebraucht, um für diese Männer zu bürgen«, sagte der Richter. »Sie geben vor,
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