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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Obstgärten eingekesselt oder schliefen in Entwässerungsgräben, während die feindliche Reiterei nach ihnen suchte; und früher oder später wäre dieser Urlaub vorbei, und ich müßte wie üblich meine schlammbeschmutzten Stiefel und den Mantel anziehen und mich wieder an die Arbeit machen.
    In dieser Stimmung, das gebe ich unumwunden zu, war ich für einen theaterbesessenen Thunfischkönig nicht die geeignete Gesellschaft. Das einzige Thema, worüber ich reden wollte, war der Krieg. O Götter, wie gern wollte ich darüber mit jemandem sprechen! Selbst mit Aristophanes. Ich unternahm zwei, drei Versuche, aber er hielt sich nur jedesmal die Ohren zu und brüllte, bis ich mich verdrückte. Die meiste Zeit verbrachte er allerdings damit, sich bis zur Bewußtlosigkeit zu besaufen, was bei ihm prächtig zu klappen schien. Sobald ich ihm nachzueifern versuchte, schlief ich immer nur ein und träumte vom Krieg, was mir überhaupt nicht bekam. Und dann pflegte Perikleidas mit der festen Überzeugung hereinzuplatzen, daß wir zumindest zu einem netten Plausch über das Getuschel hinter den Kulissen bei der ersten Probe zu den Wespen bereit wären oder um zu erfahren, was Agathon zu Euripides über Sophokles nun wirklich gesagt hatte.
    Ich fragte jeden, der mir über den Weg lief, ob er wisse, wie es den restlichen Athenern ergangen sei, und versuchte irgendwelche Überlebenden aufzustöbern, die es bis nach Catina geschafft hatten. Ich entdeckte sogar welche, wenn auch nur wenige, denn die meisten waren von den gastfreundlichen catinischen Behörden eingesperrt worden, da man sie für ein öffentliches Ärgernis hielt; die Stadtoberen versuchten gerade, mit einem phönikischen Sklavenhändler einen günstigen Preis auszuhandeln, um sie mit dem Schiff nach Athen zurückzuschicken. Außerdem hörte ich, daß Nikias und Demosthenes bereits tot waren und die meisten Männer, die von den Syrakusern gefangengenommen worden waren, in den Steinbrüchen erfroren oder verhungert waren. Alles in allem hatten von vierzigtausend Mann, die damals das Lager verlassen hatten, etwa siebentausend Soldaten die beiden Massaker – das eine im Garten hinter der Mauer, das andere im Flußbett – überlebt. Von diesen lebten etwa viertausend lange genug, um als Sklaven, zumeist an Phöniker, verkauft zu werden. Wie mir weiterhin berichtet wurde, waren darunter nur sehr wenige Athener. Ein Kerkyrer, den ich kennenlernte und dem es gelungen war, aus den Steinbrüchen zu fliehen, erzählte mir, daß die Athener dort sehr schnell aufgegeben und die Essensaufnahme verweigert hätten oder am Fieber gestorben seien. Wie er mir berichtete, hätten sie keinen Überlebenswillen gehabt, da sie dem Glauben erlegen seien, ihre Stadt wäre bereits tot. Außerdem fand ich heraus, daß der Mann, dem der ummauerte Obstgarten gehörte, Polykelos hieß. Nach allem, was mir zu Ohren kam, handelte es sich bei ihm um einen durchaus anständigen Menschen, und als er nach Hause gekommen war und seinen Garten bis zu den Knien mit Leichen bedeckt vorgefunden hatte, soll er einen schweren Schock erlitten haben. Man mußte ihn von seinem Anwesen fortschaffen und zu Verwandten bringen, die sich um ihn kümmerten. Nachdem er sich einigermaßen erholt hatte, suchte er nach einer Möglichkeit, vierzehntausend tote Athener zu beseitigen, und eine ganze Weile fiel ihm keine geeignete Lösung ein. Der Geruch der Athener war längst nicht mehr der gesundeste, und allmählich beschwerten sich die Nachbarn. Zu guter Letzt verpflichtete er sämtliche Sklaven und Gelegenheitsarbeiter aus der Gegend und trug ihnen auf, in einem sumpfigen Abschnitt seines Anwesens, in dem sowieso nichts zu wachsen pflegte, ein riesiges Loch zu graben. Dort ließ er die Leichen hineinwerfen, bis es randvoll war, und über der Grube einen gewaltigen Steinhaufen errichten. Um die phänomenalen Kosten dieser Operation zurückerstattet zu bekommen, wandte er sich an die syrakusische Regierung. Nach allem, was man hörte, spotteten die damit verbundenen juristischen Verwicklungen jeder Beschreibung, und er oder seine Erben schlagen sich wahrscheinlich bis zum heutigen Tag damit herum.
    Nach drei Tagen kam Perikleidas in den Raum, in dem wir schliefen, und verkündete uns auf peinlich berührte Weise, er habe für uns eine Heimreise arrangiert. Natürlich bedankten wir uns bei ihm überschwenglich, wodurch er sich anscheinend noch unangenehmer berührt fühlte als zuvor. Schließlich erklärte er uns, daß

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