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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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natürlich eine Menge Dinge über den Sohn des Philippos, durch die, sollten sie jemals an die Öffentlichkeit geraten, sein Ruf in der athenischen Gesellschaft für immer ruiniert wäre. Andererseits war ich mir sicher, daß er sich eine entsprechende Anzahl von Verunglimpfungen bezüglich meiner Person ausgedacht hatte. Doch obwohl wir beide darüber kein einziges Wort verloren hatten, schienen wir eine Art stilles Übereinkommen getroffen zu haben, daß wir nach unserer Ankunft in Athen so wenig wie möglich miteinander zu tun haben wollten.
    Aber natürlich möchten Sie von dem allen nichts hören; Sie fragen sich, warum wir noch vor dem Erreichen des Piräus am Kap Sunion vorbeigekommen sind, obwohl wir von Sizilien aus gestartet waren. Nun, wenn Sie Ihren Verstand benutzt hätten, wäre Ihnen klargeworden, daß unser Kapitän aufgrund des Krieges und aller anderen Unwägbarkeiten in dieser Gegend nur so weit wie unbedingt nötig in den Argolischen Golf hineinfahren wollte, und er war deshalb direkt von der Insel Methana aus zum Kap Sunion über das offene Meer gesegelt. Dann fuhr er vom Kap Sunion aus zurück zum Piräus, wobei er vorhatte, dieselbe Route für die Rückreise zu nehmen. Folge dieses umfangreichen Segelmanövers war neben der allgemeinen schlechten Laune, daß wir den Piräus erst eine halbe Stunde vor Tagesanbruch erreichten.
    Ich weiß zwar nicht mehr genau, von welchen Vorstellungen ich damals ausgegangen war, aber ich hatte fest angenommen, wir würden vom Polemarchen und dem Rat – oder vielleicht von einer etwas bescheideneren Abordnung, die von einem der rangniedrigeren Ratsmitglieder angeführt wurde – mit Girlanden, Honig und flötespielenden Mädchen erwartet oder zumindest von ein paar Freunden und Verwandten. Statt dessen war niemand zu sehen, nicht einmal die übliche Anzahl von Tagedieben, die sich normalerweise in den Hafenanlagen herumtreiben und nur darauf warten, daß irgendwer ein Faß verschüttet, damit sie sich darauf stürzen und den Inhalt stehlen können. Das einzige lebende Wesen war ein Hund, durch dessen Bellen der Mautner geweckt wurde, und letzterem lag einzig und allein daran, dem Kapitän die Hafengebühren abzunehmen, ansonsten nahm er nicht einmal Notiz von uns oder wem auch immer.
    Wenn ich sage uns, dann meine ich ab jetzt eigentlich mich. Denn kaum hatte Aristophanes attischen Boden betreten, war er wie ein aufgescheuchtes Stinktier davongerannt, ohne mir, dem Kapitän oder sonstwem irgendein Wort zu sagen. Er verbarg lediglich das Gesicht hinter dem Umhang und verschwand, ich glaube in die ungefähre Richtung der Stadt; sicher war ich mir dessen aber nicht. Ich hielt es für angebracht, mich beim Kapitän dafür zu bedanken, daß er sich mit einer Landratte wie mir während der Reise hatte abfinden müssen, also tat ich das auch. Der Kapitän zeigte keinerlei Reaktion, folglich zuckte ich nur ganz allgemein mit den Achseln, schlug mir den Umhang um und machte mich auf den Weg nach Athen.
    Natürlich stehen heute die Langen Mauern zwischen Athen und dem Piräus nicht mehr, und ich nehme an, daß viele von Ihnen, die diese Geschichte lesen, sich nicht einmal mehr daran erinnern. An diesem Morgen schienen sie jedenfalls nicht enden zu wollen, und obwohl ich diesen Weg in meinem Leben einige hundert Male gegangen bin, kamen sie mir sehr fremd und ungewohnt vor, als ich an ihnen entlangschlenderte. Ich weiß zwar nicht, warum, aber ich hatte es mir fest in den Kopf gesetzt, daß die Stadt im wahrsten Sinne des Wortes menschenleer sein müsse, da jetzt alle Einwohner in einer morastigen Grube auf dem Anwesen von Polykelos lagen. Ich kann Ihnen versichern, daß dies ein äußerst unheimliches Gefühl war, das mir überhaupt nicht behagte. Als ich mich aber auf dem halben Weg zur Stadt befand, sah ich einen Mann aus der entgegengesetzten Richtung auf mich zueilen, und zu meiner unbeschreiblichen Freude erkannte ich ihn. Zwar kam es mir eher so vor, einen Geist zu sehen, aber seine Erscheinung wirkte doch einigermaßen real – es handelte sich dabei um den Getreidehändler Kleagenes, mit dem ich bereits einige Male geschäftlich zu tun gehabt hatte.
    »Hallo, Kleagenes!« begrüßte ich ihn schon von weitem.
    Er stierte eine Weile in meine Richtung (Kleagenes war kurzsichtig) und antwortete dann: »Guten Morgen, Eupolis. Ich habe dich ja schon seit Wochen nicht mehr gesehen. Bist du auf dem Land gewesen?«
    Ich starrte ihn verdutzt an. »Jetzt hör mal auf damit.

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