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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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das Schiff, mit dem wir die Rückreise antreten sollten, ihm gehöre, woraufhin wir uns erneut bedankten. Darüber hinaus wies er uns darauf hin, daß er ausschließlich Frachtschiffe besitze, auf denen es nicht sehr bequem sei, da sie bis obenhin mit Trockenfisch beladen seien. Wir versicherten ihm, daß uns das überhaupt nichts ausmache, denn Hauptsache sei, wir kämen endlich nach Hause. Allerdings gebe es da noch eine Kleinigkeit zu bedenken, redete Perikleidas um den heißen Brei herum, denn auf diesen Fischtransportern sei nur ausreichend Platz für die Mannschaft, von der er leider niemanden entbehren könne. Er verabscheue es zwar zutiefst, uns auf diese Weise zur Arbeit nötigen zu müssen, aber…
    Wenn sich also heute irgend jemand während eines Gedichtvortrags oder einer Lesung dazu berufen fühlt, über die Annehmlichkeiten einer Schiffsreise auf offener See zu berichten, dann kann ich mich mit Fug und Recht erheben und ihn als Lügner bezeichnen, weil ich eine solche Reise selbst erlebt habe und weiß, daß es sich dabei um alles andere als um ein Vergnügen handelt. Bei der Arbeit auf einem Schiff wird man sehr naß, besonders dann, wenn man nicht die leiseste Ahnung davon hat, wo man Hand anlegen soll, und die restliche Besatzung sich darüber beklagt, daß man nichts als Unglück bringt und am besten über Bord geworfen werden sollte, bevor man noch einen Orkan heraufbeschwört. Zu allem Überfluß wurden wir in der Straße von Rhegion sogar von Piraten verfolgt. Und diese üblen Zeitgenossen waren vom Anblick unseres Schiffs äußerst entzückt, doch kurz bevor sie uns einholten, hatte eins unserer Besatzungsmitglieder den Geistesblitz, ihnen zuzurufen, daß wir nichts Wertvolleres als Trockenfisch geladen hätten, und zum Beweis warf er ein Faß über Bord. Die Piraten fischten das Faß aus dem Meer, öffneten es und stellten gleich darauf die Verfolgung ein, was man als vielsagenden Kommentar zur Qualität von Perikleidas’ Warenbestand betrachten konnte.
    Schließlich entdeckten wir nach einer langen und strapaziösen Reise am Horizont Kap Sunion und hörten den Kapitän des Schiffs mit unverhohlener Erleichterung rufen, daß dort Eupolis und Aristophanes von Bord gehen könnten. Es fehlte nicht viel, dann hätten sie uns wirklich dort abgesetzt, aber wir überredeten sie, uns bis in den Hafen von Piräus zu bringen, indem wir ihnen den Rest unseres sizilianischen Gelds gaben.
    Während wir um die attische Küste segelten, fühlte ich mich plötzlich immer elender. Das lag nicht etwa an der Bewegung des Schiffs – daran hatte ich mich nach den ersten beiden Tagen unserer Reise gewöhnt –, sondern vielmehr an der unbestimmten Angst, daß Attika nicht das sein würde, was es sein mußte, wenn ich dort nicht den Verstand verlieren wollte. Attika mußte nach allem, was ich erlebt hatte, wie das Paradies sein, ein Ort, wo alles enden konnte. In Sizilien hatte ich mir Attika immer wieder vorzustellen versucht, aber meine Bemühungen waren vergebens, und deshalb war es in meiner Einbildung durch eine wenig überzeugende Vision ersetzt worden. Dieses Attika bestand zur einen Hälfte aus einem riesigen, mit lachenden Menschen gefüllten Theater, an das sich ein Labyrinth aus kleinen Straßen anschloß, und zur anderen Hälfte aus einer ländlichen Idylle, in der sich am Ende der Olivenernte ein quietschender Lastkarren neben dem anderen über die holprigen Feldwege drängte. Der Grund, weshalb ich mir die Zeit der Olivenernte ausgesucht hatte, lag darin, daß ich mich daran erinnern konnte, wie ein Olivenkarren aussah; er hatte zwei Räder, einen Ochsen zwischen den Deichseln, Aristophanes im Lagerfaß und war rundherum von Reitern umstellt. Die Reiter schienen in Attika etwas fehl am Platz zu sein, aber daran ließ sich nun mal nichts ändern. Wenn dieses eingebildete Attika nun aber nicht existierte, was hatte ich dann dort zu suchen? Während wir vom Kap Sunion aus weitersegelten, wurde mir schlagartig bewußt, daß ich eigentlich gar nicht nach Hause wollte; und das war nun wirklich das letzte, was ich mir wünschte.
    Aristophanes war die ganze Zeit über auch sehr in sich gekehrt. Wir hatten seit unserer Ankunft in Catina kaum miteinander gesprochen, und die jeweilige Gesellschaft des anderen schien uns beiden ziemlich peinlich zu sein, als hätte der eine vom anderen ein schreckliches Geheimnis gewußt und dem anderen nicht getraut, dieses für sich zu behalten. Was mich anging, so wußte ich

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