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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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man es auf diese Weise häufiger tun kann, und wenn möglich hole ich die als Futterpflanze verwendete Saatwicke noch vor Ende September ein. In diesem Jahr gab es jedoch verständlicherweise einen Mangel an Saisonarbeitern, und mein Verwalter hatte sich entschlossen, die Wicke vorläufig stehenzulassen und mit den wichtigsten Pflugarbeiten zu beginnen. Das war durchaus vernünftig, aber da ich nichts Besseres zu tun hatte und um die Sache voranzutreiben, schaute ich selbst nach der Wicke; zumal es mich schmerzt, wenn das Futter knapp wird und ich an Maultiere und Esel gute Gerste verfüttern muß. Nachdem ich abgeschätzt hatte, was wir eingebracht hatten und was wir für den Eigenbedarf benötigen würden, ließ ich den Überschuß in die Stadt bringen. Dann legte ich mir den kurzen Umhang um, holte aus dem Schuppen einen alten, stark angerosteten Pflug, der für die Hauptarbeiten nicht gebraucht wurde, schirrte ein Maultier an und machte mich auf den Weg zu den unteren Terrassen. Es war ein angenehmes Gefühl, wieder zu arbeiten, und ich erledigte meine Arbeit besser als gewöhnlich und zog eine gerade Furche neben der anderen. Außerdem fielen mir mit der Zeit einige sehr vielversprechende Verse ein, so daß ich entsprechend verärgert war, als ich von zwei Reisenden unterbrochen wurde, die von der Straße aus meinen Namen riefen.
    »Ich hab’s mir doch gedacht, daß du es bist«, sagte der ältere der beiden Männer. »Ich hatte ganz vergessen, daß du hier draußen Land besitzt.«
    Ich erkannte die beiden – es waren Euripides und sein Vetter Kephisophon. Zwar kannte ich beide nur flüchtig, und es war bereits einige Zeit her, seit wir uns das letztemal gesehen hatten, trotzdem waren diese Gäste es wert, daß ich mit der Arbeit aufhörte.
    »Kommt doch mit ins Haus, wenn ihr’s nicht eilig habt!« rief ich ihnen zu. »Wir trinken gerade den vorletzten Jahrgang aus, um Platz zu schaffen. Wenn ihr uns dabei helft, könnte uns das sogar gelingen.«
    Euripides lächelte und willigte ein. Wie sich herausstellte, hatte er ein paar Verwandte besucht, die eine halbe Tagesreise nördlich von Pallene wohnten, und war nach dieser Reise ziemlich müde. Als Komödiendichter ist es natürlich meine Pflicht, abfällige Bemerkungen über unsere führenden Tragödiendichter zu machen, und deshalb habe ich in meinen Stücken regelmäßige Anspielungen darauf gemacht, daß Euripides dem ein oder anderen Becher Wein nicht abgeneigt war. Trotzdem war ich ein wenig überrascht, als ich feststellen mußte, daß ich ihn mit dieser Unterstellung keinesfalls verleumdet hatte. Ich merkte es mir und fragte ihn, wie er in letzter Zeit vorangekommen sei und ob er gerade an einem Stück schreibe.
    Euripides schüttelte den Kopf. »Nein, zur Zeit nicht«, antwortete er mürrisch.
    Das Thema schien ihn zu langweilen, und ich hatte das Gefühl, daß er keine Lust mehr am Schreiben hatte. Ich kann so etwas zwar immer nur schwer verstehen, aber bei Tragödiendichtern scheint es sich dabei um eine Art Berufsrisiko zu handeln.
    »Deine Oliven sehen dieses Jahr gut aus«, wechselte er das Thema.
    »Sehr viel größer als jetzt werden sie nicht mehr«, antwortete ich. »Zuwenig Regen. Willst du dieses Jahr wirklich nichts präsentieren?«
    »Richtig«, entgegnete er knapp. »Wie ich gesehen habe, düngen deine Leute unten in der Ebene ganz schön kräftig. Da unten das Land gehört dir doch auch, oder?«
    »Ja.«
    »Wir bewahren uns den besten Dünger immer für die höhergelegenen Anbauflächen auf, und deine Flächen liegen ein ganzes Stück höher als unsere. Wieviel verwendest du pro Morgen?«
    »Was?«
    »Dünger.«
    Ich dachte angestrengt nach und antwortete dann höchst beschämt: »So aus dem Stand kann ich das nicht sagen.«
    Euripides stierte mich über den Nasenrücken hinweg skeptisch an, und wie ich mich noch gut erinnere, wäre ich in diesem Moment vor Scham am liebsten im Boden versunken. »Nach einer ungefähren Schätzung würde ich sagen, daß das, was uns ein Ochse pro Jahr an Dünger liefert, etwa für drei, vier Morgen reicht. Aber wir nehmen das nicht so genau und gehen da eher instinktiv vor.«
    »Instinktiv? Ich verstehe. Und laßt ihr den Dünger erst einige Zeit verrotten, oder benutzt ihr ihn schon im puren Zustand?«
    »Ehm, im puren Zustand natürlich.«
    »Wirklich?« Euripides schien überrascht. »Was holt ihr denn in einem durchschnittlichen Jahr aus einem Morgen heraus?«
    »Was denn?«
    »Gerste.«
    »Ach

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