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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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geschah, war mir ein hervorragender Einstieg für einen Schafschor eingefallen, und danach konnte mich nichts mehr halten. Natürlich benötigte ich irgendeine Aussage, aber mir fiel keine ein. Die Stadt hatte sich nach der Katastrophe völlig verändert, und die alten Themen schienen sich nicht mehr zu eignen.
    Es war eine schwierige Zeit. Kaum hatte sich die Nachricht über unsere Niederlage verbreitet, wurden unsere Feinde extrem rege und sprachen bereits lauthals davon, uns ein für allemal auszulöschen. Unsere sogenannten Verbündeten, unsere Untertanen also, standen kurz vor der Rebellion, und bei Einbruch des Winters setzte sich König Agis von Sparta mit seinem Heer in Bewegung. Aber aus einem unerfindlichen Grund griff er nicht die Stadt an; statt dessen streifte er quer durchs ganze Land und versuchte Geld für den Aufbau einer Flotte einzutreiben. Wir selbst bauten natürlich auch eine neue Flotte auf und sparten sämtliche unnötigen Ausgaben ein, um sie uns leisten zu können. Glücklicherweise waren die Theaterfestspiele davon nicht betroffen, und ich arbeitete mit aller Kraft an meinem Stück weiter. Mittlerweile wohnte ich wieder in der Stadt und traf mich häufig mit Philonides und seinen Freunden, da ich mir ihn als Chorleiter wünschte, wenn es soweit wäre. Den Schafschor hatte ich zugunsten eines Schiffbauerchors ersatzlos gestrichen, und ich hatte große Hoffnung, mit dem Stück bis zum Frühjahr fertig zu sein.
    Ich war derartig in meine Arbeit vertieft, daß ich nichts davon mitbekam, was sich in der Stadt abspielte. Natürlich wollten die Athener jemanden für das sizilianische Desaster bestrafen, doch das war nicht möglich, da Nikias und Demosthenes tot waren und sich Alkibiades noch immer im Exil befand. Einen Taxiarchen, dem die Flucht gelungen war und der sich bis nach Athen hatte durchschlagen können, klagte man ganz allgemein wegen Feigheit an und verurteilte ihn zum Tode. Allerdings stellte das die Athener nicht einmal ansatzweise zufrieden, und deshalb sah man sich nach einem geeigneteren Sündenbock um. Natürlich war eine solche Person nur schwer zu finden, da die eigentlichen Verantwortlichen für das Unglück die Wähler in der Volksversammlung selbst gewesen waren. Aber dann kam irgendein genialer Mensch auf die glänzende Idee, die ganze Schuld denjenigen in die Schuhe zu schieben, die am Abend vor dem Auslaufen der Flotte die Hermesstatuen zerstört hatten.
    Lachen Sie bitte nicht, das ist wahr. Diese Bewegung entwickelte eine unglaubliche Eigendynamik und geriet schon bald völlig außer Kontrolle. Es gab eine Flut von Beschuldigungen, und ausgerechnet die Männer, die diese Krise überhaupt erst heraufbeschworen hatten, weil sie hofften, sich auf diese Weise von verschiedenen politischen Gegnern zu befreien, mußten sich allmählich Sorgen machen, bei der allgemeinen Hysterie nicht selbst zu Opfern zu werden.
    Nun kannte ich natürlich den wahren Hintergrund der ganzen Geschichte; denn falls Sie sich erinnern, bin ich damals Augenzeuge gewesen und nur knapp mit dem Leben davongekommen. Ich wußte ganz genau, wer zumindest einige von den Übeltätern gewesen waren: unter ihnen Aristophanes, Sohn des Philippos. Dennoch verspürte ich keinerlei Verlangen, mich zum Denunzianten machen zu lassen, denn das ist ein sehr gefährlicher Beruf, auf den man nur umsatteln sollte, wenn man sehr knapp bei Kasse ist. Andererseits wußten natürlich Aristophanes und einige andere, daß ich sie am besagten Abend bei ihrem Treiben beobachtet hatte, was ihnen überhaupt nicht behagen konnte. Als Phaidra dahinterkam, was da gespielt wurde, drängte sie mich, die Stadt wenigstens so lange zu verlassen, bis sich die Lage wieder beruhigt hätte. Aber ich war noch immer ganz auf mein Stück konzentriert und wollte unbedingt in Athen bleiben, um mit Philonides alle Einzelheiten genau besprechen zu können. Mittlerweile war ich auch von den Schiffbauern abgekommen, da ich eine wirklich glänzende Idee gehabt hatte.
    Mein Chor setzte sich nunmehr aus sämtlichen Demen Attikas zusammen, wobei jeder Demos ein unverkennbar passendes Kostüm tragen sollte. Der Chor sollte von meinem eigenen Demos Pallene angeführt werden, mit einem Kostüm aus Bergen und Ziegen, und die Handlung des Stückes war, daß alle großen Staatsmänner der Vergangenheit auf die Erde zurückkehren, um uns in unserer schwersten Stunde Ratschläge zu geben – und zwar wirklich alle, von Solon bis Perikles. Anfänglich spielte ich

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