Wallenstein (German Edition)
Bierhaus; brachten ihm ein Konzert, als sie ihn lachen hörten, indem sie mit ihren Besenstielen gegen die hölzerne Hauswand ein knallendes Lied schlugen. Nahe dem leeren weiten Stephansplatz, am Bischofsplatz neben dem Heilthumstuhl, stand das Haus des Kaufherrn Hans Federl. Da bezog der als überreich und verschroben verschriene Böhme sein Quartier. In diesem Hause hatte noch ein anderer Mann seinen Wohnsitz seit einigen Wochen, der Prager Judenprimas Bassewi. Juden wohnten nicht mehr in der Stadt, sie waren durch kaiserliches erneutes Dekret vor die Mauern verwiesen an den Unteren Werd; der Prager mit dem gelben Barett hatte einen kaiserlichen Schutzbrief, man mußte ihn dulden. Das Gesindel, das mit Wallensteins Kavalkade anschwärmte, schrie und tobte, als der abenteuerlich schöne und kostbare Troß vor Bassewis Hause sich staute, die Kutsche Wallensteins sich öffnete und ihn auf die Stiege entließ, die Begleitung in die Nachbarschaft abritt. Haufen über Haufen sammelten sich vor dem Federlhof an; wieder sprangen die Rauchfangkehrer, die berußten Gesellen, stellten ihre Leitern vor das Haus, zu sechs, zu zehn, zu zwanzig, standen da schwarz und grimassierend, meckerten, näselten, kreischten Judenspottlieder, machten sich drauf und dran, auf das Dach zu klettern. Es war eine Beleidigung ohnegleichen, die Wallenstein der Stadt erwies, er, von dem es hieß, daß er vom kaiserlichen Hof geladen war.
Und kurz nachdem die liederliche Stadtgarde, die mit dem Gesindel paktierte, das übermütigste Volk vertrieben hatte, erschien mit einer goldenen Kette um den Hals hoch zu Roß unter dem Heilthumstuhl ein starkleibiger Stadtrat. Mit entschlossener Großartigkeit stieg er an der freigemachten Treppe ab, ließ sich in die Empfangsstube führen; eingeladen von Bassewi selbst, in die Ritterstube zu treten, blieb er starr unter dem Deckenleuchter stehen; er bekenne, sagte er mit durchdringenden Blicken gegen den lächelnden kleinen Graukopf, daß er nicht vorhabe, mit Bassewi was auch immer zu besprechen, vielmehr habe er mit dem eben eingetroffenen Prager Oberst, der in kaiserlicher Gunst stehe, zu verhandeln. Jedoch sei dieser, verneigte sich bedauernd der Hofjude, hinten von Berechnungen, nicht astrologischen, sondern einfach geschäftlichen, okkupiert; es sei bei dem bekannten Humor des Gastes nicht ganz beliebig, ihn zu stören, selbst wenn ein ganz illustrer Besuch vorläge. Darauf fand es der Rat für gut, zu wiederholen, daß er angemeldet zu werden wünsche.
Ehe aber Bassewi die Tür geöffnet hatte hinter einem teppichartigen Vorhang, kam mit langen Schritten, den Blick gegen den Boden, Wallenstein heraus.
Es war seine Art, breitspurig zu gehen, wenn er nachdachte, die Stühle beiseitezurücken, dabei die Lippen aufeinanderzupressen, manchmal rüsselartig zu wölben, um die Möbel herumzuwandern. Er machte lebhafte Grimassen, stieß heftige Worte aus, zischte, lachte, blieb stehen, rüttelte an einem Schrank, schlug wiehernd auf die Tischplatte, ließ sich die Fransen des Vorhangs über den Kopf hängen; öfter setzte er sich mitten während des Wanderns, wo er sich gerade aufhielt. Er kam mit stürmischen Bewegungen aus der Tür heraus, spielte mit den Blicken um die beiden Männer, bemerkte sie offenbar nicht. Bassewi, nach einem Augenwink gegen den Wiener, wich ihm aus, und als er merkte, daß Wallensteins Weg wieder gegen ihn führte, riß er zwei Tischchen und einen kleinen Schemel zur Seite gegen die Wand, verhielt sich völlig lautlos. Der Rat, seinen Degengurt anziehend, räusperte sich bei der Öffnung der Tür. Als der Oberst um ihn herumging, räusperte er sich unter Scharren der Schuhe; er war entrüstet über die völlig ungewöhnliche Tracht des Fremden, der mit nackten, stark behaarten Armen schlenkerte, um die Brust nur eine niedrige Samtweste, unter den Achseln hervorlugend ein enges Panzerhemd. Dann tönte durch das schmale, von Scharren Fußstapfen Zischeln erfüllte Gemach die gepreßte gekränkte Stimme des fetten Rates: »Edler Herr, edler und gestrenger Herr. Unser viellieber Freund.« Der blieb nach einer kleinen Weile dicht vor ihm stehen, den Kopf über ihn hängend; knurrende knirschende Laute stieß er tierisch über ihm aus, den Mann aufs allerhöchste erschreckend, drängte ihn an die leere Wand, zerrte ihn an dem Degengurt, der einriß, einmal rechts und links, ließ ab; vier große Schritte, hinter Wallenstein wehte der Vorhang, die Tür schmetterte ins Schloß.
Als
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