Wallenstein (German Edition)
Bassewi dem krummstehenden Mann helfen wollte, holte der aus, schlug ihm gegen den Hals. Bassewi sagte nichts, nicht einmal, daß sein Haus unter dem Schutz des Kaisers stünde. Der Rat fluchte, sich zurechtmachend, spie gegen den Hebräer.
Zwei andere Stadträte, die kurz vor dem Nachtessen kamen, benahmen sich höflich; Bassewis Einladung zum Mahl lehnten sie ab, erhielten aber den beruhigenden Bescheid, daß der Gast seit einer knappen halben Stunde das Haus verlassen habe. Denn draußen standen und rotteten sich die Menschen zusammen, man kannte das sich steigernde Gejohl aus dem vergangenen Jahre, die Eisenhauben der Rumorwache, die Piken der Stadtgarde. Dieses Krakeels wegen ließ sich Wallenstein, der allen Ernstes vorhatte, hier zu übernachten und das von der Stadt angebotene Quartier abzusagen, herübertragen, nachdem seine Soldaten in Kürze die Straße von Volk gesäubert, mit Hieben zurückgedrängt, die verwahrlosten Männlein der Stadtgarde über den Haufen geworfen hatten unter kurzem gräßlichem Gebrüll. Die Erbitterung dieser Stadtwache, die mit dem Pöbel fraternisierte, war so groß, daß der Herr Daniel Moser, der Bürgermeister, den Hauptmann der böhmischen Eskorte aufsuchte, von ihm beruhigende Versprechungen erhielt. Und was den Zorn der auf ihre Piken und Federn stolzen Rotte von Säufern Hehlern Kupplern Gelegenheitshandwerkern am meisten besänftigte, war die Großmut des Fremden.
Als er von der Notlage einiger kleiner Brüderschaften in der Stadt hörte, von ihren verfallenen Baulichkeiten, wies er ihnen hohe Beträge an. Es hieß, er habe zweihunderttausend Reichstaler mitgebracht.
Die Stadt wurde in den nächsten Tagen von Geld überschüttet. Die Räte, hohen Würdenträger, Offiziere, Geistlichen saßen zusammen, sprachen von dem kuriosen Böhmen, der sich mit dem Volk gemein machte und den großen Herrn spielte. Seine Schriftstücke liefen durch die Kanzleien; den Weg hatte er ihnen erleichtert durch Besuche bei den maßgebenden Instanzen. Es geschah etwas, was ohne Beispiel am Wiener Hofe war. Eines Morgens lag der Schnee auf den Straßen und Plätzen hoch, auf den Basteien Brücken Erkern Giebeln Türmchen. Vom Federlhof her rollte Schlitten auf Schlitten auf den Stephansplatz herüber, mächtige unförmige drachenköpfige fischschwänzige Gehäuse, mit Wimpeln und Glöckchen geschmückt. Vor jedem ritten zehn Trabanten; die Gefährte zerstreuten sich in der Stadt. Hielten beim Fürsten Eggenberg, bei Trautmannsdorf, Questenberg, Meggau, beim Abt Anton, beim alten Grafen Harrach, den Beichtvätern Weingartner, Knorr von Rosenrot, Lamormain, dem Grafen Stralendorf. Kaum eine Viertelstunde dauerte der Besuch der Abgesandten des Böhmen bei den hochmögenden Herren; sie überbrachten jedem eine Kostbarkeit, dazu ein Handbrieflein ihres Herrn. Als die aber die Fäden der Brieflein lösten, wurden sie vom Feuer überfahren; der Friedländer schrieb ihnen nach einem Gruße und einer Erinnerung, sein Bankhalter de Witte in Prag sei angewiesen, ihnen die und die Summe, einen ungeheuren Betrag, zu überweisen. Mit einer Unverfrorenheit, für die es keinen Namen gab, bot ihnen Wallenstein riesige Gelder an, fragte sie nicht, sagte nicht wozu warum. Die Schlitten fuhren klingelnd, hellbestaunt in den fröhlichen weißen Straßen herum; die Edlen saßen in ihren Kammern, hielten die Papiere in den Händen, zitterten.
Draußen wälzte sich greifbar, für die Augen kenntlich, grell maskiert der böhmische Schrecken durch die Straßen. Die unten staunten ihn an, aber er hatte Beine, ging in die Stuben ein, war da, widerwärtig, krallte sich an sie fest. Zuletzt fuhr ein Schlitten beim spanischen Botschafter Oñate vor. Er empfing den böhmischen Abgesandten in seinem kleinen Fechtsaal: den dünnen schmalen Degen zwischen die Zähne sperrend, nahm er das Brieflein an, nachdem er mit einer hochmütigen Handbewegung die Überreichung einer goldgefaßten Schale aus dem Horn des Rhinozeros, ein breites unförmiges Gerät, verhindert hatte. Die Lippen fletschte er, wie ein Tiger grell wild blickte er den Böhmen und den Trabanten an aus gelblichem erblaßtem Gesicht, machte, ohne sprechen zu können, schüttelnde schleudernde Handbewegungen gegen sie, nach dem Brieflein zu, gegen seine Brust, sein Herz, übersprudelte sie dann, den Degen abziehend, mit losgelassener spanischer Heftigkeit. Darauf plötzlich: sie sollten sich einige Minuten gedulden. Er übergab dem Trabanten dann zu dem Brieflein
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