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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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seine Sänfte führen. Der Abt betrachtete lange den Sessel des Fürsten, schüttelte neue Rosenblätter aus seinem Talar, rief einen braunkuttigen dienenden Scholaren; man möchte zu Herrn Jesaias Leuker, dem bayrischen Gesandten, schicken; er wollte mit ihm sprechen, von dem kuriosen Besuch erzählen, was sich davon denken ließe.

    MITTAGS IM Saal des Noviziatengebäudes der Gesellschaft Jesu zu Sankt Anna, vor einer Aufführung des »Heldenmütigen Ritters Michael«, der kleine stille Abt im Gewimmel der lichtblauen Talare aus der Lilienburse, der schwarzen Röcke von Sankt Anna, blitzenden Hoftrachten, zwischen Rosenkränzen, knisternden Schärpen Wehrgehenken erwartungsvollem Lächeln. Leuker wußte nichts von dem Neuburger Besuch in München, war dann nicht wenig erschreckt – sie gingen kopfgebeugt zur alten Kirche herüber, der Kaiser betrat den Theatersaal –, als ihm blitzschnell einfiel, daß seit fünf Tagen Marcheville, der französische Geschäftsträger, ein beweglicher verschlagener Gesell, ebenso elegant wie zweideutig, im Besitz ungeheurer Summen und mit völlig undurchsichtigen Zielen, in Wien logiere, ohne erkenntlichen Zweck, wohl aber private Besuche mache, auch in der Herrengasse, wo der kuriose Neuburger logierte. Und ebenso erschreckt war der Abt selber. Unter den alten Buchen vor der Kirche fragte er, ob denn des Herzogs in Bayern Durchlaucht irgend etwas habe verlauten lassen, mittelbar oder unmittelbar, was vielleicht zu Ohren jenes armseligen Pfalzgräfleins gelangt sei, in ihm die unsinnige Vermutung erweckt habe, es sei etwas verfügt betreffend Kurlande und Kurwürde des Ächters. Der andre fühlte, daß ein leiser unruhiger Ton in der Stimme des Würdenträgers klang; er lachte herzlich, herzlicher, als er gewollt hatte. Oder ob vielleicht das Französlein selbst etwas Kompetentes wüßte; es stecke etwas dahinter, daß Marcheville auftauche, sich hinter das Pfalzgräflein stecke. Sie standen sich unsicher am Kirchenportal gegenüber. Leuker meinte gelassen, er werde bei seinem Fürsten anregen, daß auf den blöden Neuburger, den Anverwandten des Hauses, eingewirkt werde. Dieser Mann irre zweifellos halb gedankenlos im Reich umher, lasse sich benutzen, könne dem Ansehen des Hauses nur gefährlich werden. Antonius seufzte, schüttelte ihm die Hand; er sei freilich ein kurioser Mann, der Pfalzgraf von Pfalz-Neuburg, »aber Ihr wißt selbst, Marcheville ist in dem Falle noch kurioser. Marcheville hat gar keinen Sinn für deutsche Sonderbarkeiten; er will etwas. Er weiß irgend etwas besser als Ihr und ich.« »Er wird sich einen Spaß mit dem Alten machen vor seinem Gefolge«, lächelte der Bayer. Und diese leichtfertige Bemerkung aus dem Munde des gewiegten Leuker beunruhigte den Abt aufs höchste, sein Begleiter mußte so gut wissen wie er, daß Marcheville keine Späße machte; dann wußte auch Leuker mehr als er. Und da stand er und lächelte aufdringlich.
    Hastig ging nach einigen höflichen Worten Antonius in den Saal zurück; Gesang scholl ihm entgegen. Ferdinand auf erhöhtem Purpursitz blickte ihn freundlich an. Der gelehrte Leuker, der stämmige gesundheitstrahlende kaum ergraute Mann, fand erst nach einer halben Stunde sich über den Gartenweg zurück. Verwirrt nicht über das Gebaren und die Bemühungen des armseligen halbtoten Neuburgers, aber über Marcheville, über seine dunklen Wege hinter dem Rücken des halbtoten Narren; Marcheville, sein Freund, beinah sein Freund! Und Bayern hatte den Kaiser doch im Sack! Samt der Kur! Begünstigt von diesem Frankreich!
    Von seinem Besuch in München ab war Philipp Ludwig dem Franzosen nicht aus den Augen gekommen. Der würdevolle Jocher ließ zu ihm ein Wort fallen bei einer intimen Information über des Neuburgers possierliche Gesandtschaft im »Strauß«. Als der Pfalzgraf das Stubentor passierte, begleiteten ihn schon zwei Geschöpfe Marchevilles; in der Herrengasse nahe dem Gitterbrunnen und dem Haus der Landstände wohnte der Neuburger; ihm gegenüber logierte seit einigen Tagen völlig privat, seinen Schmetterlingssammlungen hingegeben, der französische Geschäftsträger. Ein nachbarlicher Besuch, rasch gemacht, wurde am nächsten Tage erwidert. Ehe Neuburg daran dachte, eine Audienz zu erbitten oder Fühlung mit dem Kabinett zu nehmen, trat Marcheville ohne Maske als französischer Gesandter in seine Gaststube, überbrachte besondere Empfehlungen des Sehr Christlichen Königs aus der Hand des Staatssekretärs Puisieux.

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