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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Kaiser, »ich kann nicht verrecken hier.« »Du Dieb, ich werde dir zeigen.« »Was habe ich dir getan, Jonas?« »Nichts. Verrecken! Verrecken!« »Ein Stückchen.« Ferdinand saß unter einem laufenden Faß, flennte: »Nichts gibt er mir. Seht den Kerl an, den Jonas. Den ganzen Korb hat er voll. Das wird kein Doktor.« »Verrecken.« Da hob Ferdinand, sich auf den Bauch werfend, an der Katzenleiche ausgleitend, mit den Beinen strampelnd, sinnlos aus vollem Halse brüllend, die Arme auf, schmetterte sie auf den Boden, salbte sich aufbäumend sein Gesicht mit dem Schmutz: »So behandelst du mich, so behandelst du mich. Ich verklag’ dich.« Wütend rutschte der Zwerg heran, schlug von hinten mit dem Korb gegen seine Beine. »Verklagen, du mich? Du Dieb.« »Er bringt mich um. Hilfe. Grausame Not. Was habe ich dir getan?«
    »Verleumder, mich willst du verklagen.«
    »Laß meinen Fuß.«
    Oben stiegen Leute scheltend heran, warfen Licht in den Raum.
    Der Zwerg geiferte frohlockend: »Jetzt sieh zu, wie du auswischst! Haha. Vor denen da! Du Dickwanst.« Johlte gegen das Gewölbe bei Ferdinand: »Hier bin ich! Walkt den Dieb!«
    Kroch weg, schleuderte seinen leeren Korb zurück, meckerte vergnügt, mit dem linken Schuh des Herrn klappernd; dicht zu ihm schlüpfend, drehte er einen Hahn auf; der Weinstrom prasselte auf die Steine. Da heulte beim Anblick des leeren Korbs der Kaiser vor den beiden Küferknechten, die ihn drohend anhoben, dann den beschmierten Sabbernden zitternd zurechtsetzten.
    »Alles hat er gefressen. Er ist schlecht. Es ist kein Gelehrter. Er ist ein Siebenfraß, ein unbarmherziger. Mich läßt er verrecken. Fangt ihn doch. Den Unbarmherzigen, den Gottseibeiuns.«

    GRAF JOHANN Paar war seit Hoheneich nicht am Hof erschienen. Ferdinand sagte knirschend zu Frey, der sich vor ihm entsetzte: »Ich will gnädig mit ihm verfahren, mit dem Hans. Will ihm nicht Hatschiere schicken, sondern dich und den Jonas. Ihr beiden sollt ihn holen.« Dann schwankte er lange, ob er nicht seinen Leibkammerdiener schicken sollte. Gebunden wurde dann eines Nachts Paar von den Hatschieren auf einem Wagen in die Burg gefahren, ohne Hut, ohne Degen, wie sie ihn in seiner Stadtherberge ergriffen hatten. »Wahrhaftig«, höhnte der Kaiser, der ihn in der Schlafkammer sitzend empfing, »der Graf Paar.«
    Dünnlippig stand der da, die gefesselten Hände auf dem Rücken. »Ich war ehrsüchtig«, erklärte er langsam, »der Molart hatte mich gereizt. Ich hab’ mich von der Eifersucht auf Molart bewegen lassen.«
    Der Kaiser lachte giftig. Der blieb dabei: er bereue. Ferdinand fragte: »Das war es, das war alles?«
    Paar dachte an die Stöße, die er erduldet hatte; langsam wiederholte er, er sei eifersüchtig auf Molart gewesen. Der Kammerdiener mußte ihm die Fesseln abnehmen; es stünde ihm frei, in seine Heimat zu fahren. Er sah nicht, wie der Leibdiener sich beiseite wandte, die bettelnden, zerreißenden Blicke des fast unbeherrschten Ferdinand, sah nicht, daß Ferdinand schrecklich erblassend im Begriff war, wackelnd auf seinem Sitz sich an seine Brust zu werfen.
    Er fiel vor Ferdinand auf die Knie; starren rachsüchtigen Herzens sagte er: er bereue.
    Der Kaiser bat ihn entsetzt um Entschuldigung, hieß ihn gehen.

    BEI DER zweiten Besprechung, die Digby auf den weiten geweihprunkenden Korridoren der Alten Residenz zu München mit dem Geheimrat Richel führte – einem Herrn so groß wie er, so breitschultrig wie er, mit glattrasiertem verärgertem bäurischem Gesicht, mißtrauischen Blicken, von unbestimmtem Alter –, meinte der Herr am Geländer der Wendeltreppe zu ihm, wenn es dem englischen Edlen beliebe, nach Thalkirchen oder sonst in die Umgebung zu spazieren: es sei sehr schön hier, die Witterung gut, er möchte es nicht versäumen; des Herzogs Bescheid träfe ihn rechtzeitig. Digby amüsierte sich vor den Pfälzern, daß dieser furchtbare Unruhstifter, diese männliche Kriegsfurie, der Maximilian, nicht aus dem Beten herauskäme; wenn man nach ihm frage, immer heiße es; er ist zur Messe, er hält Andacht, heute Beichte, morgen Beichte, der Herzog belagere förmlich den lieben Gott. Er witzelte in seiner selbstvergnüglichen Art: ob der Max vielleicht darum so viel bete, damit kein anderer an Gott herankäme.
    Schwere Luft wehte in München. Das mönchisch strenge Wesen des Hofes drückte auf die Stadt. Fensterln und Gunkeln war verboten, die üppigen gemeinsamen Badestuben aufgehoben; still trollten des Herzogs

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