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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Doktor Ludwig Camerarius. Rusdorf wollte nicht säumen, nicht rasten; das bayrische Heer, die Wiener Tage brannten in seinem Herzen; er trug die Flamme weiter; Camerarius hieß ihn den Dänenkönig und den Schweden aufstacheln.
    Pawel trennte sich bei der Abreise aus dem Haag von ihm; er lehnte weitere Gesandtendienste ab; sehr freundlich und gütig sagte der schwermütige kranke Mann zu dem springenden anderen: »Es ist gut, was der Herr vorhat, mein Segen ist bei Ihm. Doch wird Er sehen, wir haben die Fortuna nicht auf unserer Seite. Wird bald alles wieder anfangen wie in London und Wien; werden betteln; man wird uns nichts ersparen. Ich bin dem nicht gewachsen.« Mit vieler Liebe umarmten sie sich vor dem Postwagen; auch Rusdorf zerbiß sich schluchzend den Mund.
    Als Doktor Jesaias Leuker, prächtig in Zobel getan, einen goldenen Gnadenpfennig an der Halskette, blutroten Gesichts die kaiserliche Anticamera betrat, stand gebückt ein schwarzer ungeheurer Mann neben dem Stuhl des Kaisers, der Beichtvater Lamormain, ein Luxemburger. Bemalte Leinewand und bunte Tafeln waren auf dem Teppich vor ihnen hingeschichtet. Ferdinand hielt den Kopf gesenkt, als Leuker vom siegreichen Vormarsch auf die Oberpfalz berichtete. Als er sein mattes aufgedunsenes Gesicht ihm wieder zugewandt hatte, sagte er halb fragend zu Lamormain und dem Bayern zugleich: »So möge Unser frommer Schwager auf dem Zuge von Uns jeder Hilfe und Vorschubs gewärtig sein.«
    Und während er den Blick suchend richtete auf das Bildchen in seiner Rechten – die blaumantlige Maria mit dem geneigten Haupt, einen goldenen Stern auf der rechten Schulter, in einem Schutthaufen am Tiber von Dominicus a Jesu Maria gefunden –, war plötzlich ein Licht in ihm erloschen; er sah sich an der Wand auf einer schwarzen Bank in einer finsteren Kammer sitzen, sich langsam aufrichten, die Hände an die Schläfen legen, zusammenlegen zum Gebet; und er sprach nach, ohne es zu verstehen, was dem Gebundenen auf der Bank von den Lippen ging: »Es ist geschehen. Im Namen des Vaters, des Sohnes, des Heiligen Geistes.«

    AUS SEINEM Bau, um den herum er mit Schonung fraß, stöberte das bayrische Heer den Bastard von Mansfeld. Von da strömte ihm, wegweisend, pestilenzialischer Geruch entgegen. Eine Seuche war in dem Lager bei Beidhaus ausgebrochen, hatte sich mit Werbern Fourieren Streifkorps beutemachenden Tummlern blitzartig durch die Wälder und Berge verbreitet, zuckte unter Bauern und Knechte, gepanzerte Kürisser, Musketenträger. Aus den Tümpeln stieg die Brut der Mücken und Stechfliegen. Unter der schilfdurchstochenen Oberfläche der Wasser, dicht am Spiegel, hingen die Millionen Larven wie herrenlose Naturtrümmer, gleichmäßig Luft saugend durch ihre kleinen Atemröhren. Dick schwoll ihr Kopf an, hob sich über den Spiegel, die Schale zitterte, knisterte, spannte sich, riß über der Schläfe, seitlich; langsam drängte sich das lange junge Gebilde durch, engangelegt Fühler Glieder Flügel, rastete, sich spreizend, auf einem Blatt der Wasserlinse, hing flügelspannend großbeinig an einer Schilfscheide. Surrte in der Dämmerung aus. Die Luft mit Zirpen und feinem hohem Singen durchadernd. Spürsame surrende Mücke mit schwankendem Ringelleib, vor sich zwischen hauchartigen Fühlern gerade ausgestemmt den langen Stechrüssel, der wie ein Spieß steif auf dem Köpfchen wuchs, vor dem Prellbock des klobigen Brustwürfels. Das trug sich tausendfach, zehntausendfach, millionenfach durch die Abendluft mit gläsernen Flügelchen. Setzte sich an den Mund, an die Stirn, auf die Hand, die ein Brot brach, an den Hals, zwischen den geschnittenen Bart des Kornetts und Rittmeisters und die venezianischen Kragen. Riß sich einer, vom Pferde springend, schweißbegossen das Wams auf, kühle Luft gegen nasse Brust gehen zu lassen, so krallte sich das kleine Flügelwesen ungesehen an die warme Haut, sog sein Tröpfchen Blut, speichelte im Biß ein Tröpfchen Gift ein. Dann konnten die Soldaten auf ihre Jagd gehen, die Leute an Torsäulen und Brunnen aufhenken, das Vieh forttreiben, gewaltig prassen – inzwischen liefen die Fieber durch ihre Körper, Abend um Abend, verwandelten ihr Blut in einen tropischen Sumpf. Kornetts mochten brüllen, den sauren Wein dieses Jahr in Kannen schlucken, gefahrdrohend auf ihren Gäulen vor hundert Mann durch die stillen schornsteindampfenden Dörfer segeln, Leder vor der Brust, dichtmachende Papiere um den Hals, breitbackig und heiß auf den

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