Wallenstein (German Edition)
schmecke sauer. Wollte ein Bauer frei sein, mußte er den Kot eines anderen fressen, den der eben gelassen hatte; ging es nicht rasch, erstickten sie ihn kopfüber in dem warmen Gesudel. In der Wollust der Grausamkeit gingen sie wie Wahnsinnige herum; nicht viel fehlte, daß sie mit den Steinen am Wege zu kämpfen anfingen, die Vorlauben niedermetzelten, die Luft anspien, daß sie die Pferde zwischen ihren Schenkeln mit Stichen zu Tode quälten. Junge Weibsbilder, an denen sie ihren Mutwillen verübt hatten, lagen tagelang tot, unbekleidet, halb verbrannt auf offenen Wegen; die Bauern in den Nachbarhäusern wurden gehindert, sie zu beerdigen; wer sich daran machte, dem wurde der madenwimmelnde Leichnam in die Stube gelegt. Sie konnten sich nicht lange in den Stiftslanden aufhalten; trafen ausschwärmend bald nur leere brennende Dörfer, flammende Kornscheuern. Einige hetzte die Wildheit, daß sie toll gegen die heimflutenden Bauern rannten, süchtig, selber gemartert zu werden.
Der überschäumende Mansfeld, seine blutrünstigen Horden schwangen über den Rhein zurück nach Osten gegen den Neckar. Ein rasender anderer Rebell erwartete sie da, der alte Markgraf von Baden-Durlach. Dem hatte es die Lebenslust weggefressen, daß er nicht Erbe sein sollte der oberen Markgrafschaft, weil er Protestant war. Mit zwanzigtausend Mann, vierzig Feldstücken, fünfunddreißig kleinen Geschützen, siebzig Wagenmörsern, achtzehnhundert Wagen stand er am Tage nach Christi Himmelfahrt auf den Höhen zwischen dem Neckar und Böllingerbach; überschüttet alle Täler und Berge unter dem blendenden Maienhimmel vom jungen Grün, von weißer Apfelblüte. Vor Glück wollte er zerbrechen in seiner schwarzen Eisenrüstung auf dem gepanzerten Pferd, als drüben jenseits des Waldes die Ligisten aufzogen, die Bayern voran; inmitten der Hakenspieße Streitäxte Reiterhämmer, des klingenden Kompagniefeldspiels schrie der Graubart, sein schweres schottisches Schwert mit beiden Fäusten über sich hebend: »Sie müssen unser sein! Was wollen sie gegen uns!« Einige Stunden darauf war das Grün jung wie vorher, die Apfelblüte schimmerte wonnig, das badische Heer zerschmettert wie loser Kalk am Boden, der alte Markgraf, von Qualen geschüttelt, von wenigen Offizieren gefolgt, auf dem rasselnden Pferd durch sanfte Wälder über träumende Wiesen zwitschernde Gärten nach Stuttgart, daß sich der Württemberger seines Sohnes annähme und die Flüche auf die Bayern höre.
Die siegesheißen Ligisten, Bayern an der Spitze, schoben sich in die Kurpfalz; das Land wehrte sich nicht, sein Herr irrte mit der englischen Königstochter im Elsaß herum. Die Kartaunen und Mauernbrecher der Überwinder, zu Hunderten versammelt, noch glühend wie ihre Führer, heulten Tag und Nacht auf den Bergen vor Heidelberg; als der Sitz des flüchtigen Kurfürsten brannte, ging ein Freudenschauer durch das Heer; über die blanke, dunkle Platte des geschlängelten Flusses warfen sie sich. Geplündert Heidelberg, geplündert Mannheim.
Zu dem Heere stießen Völker aus Böhmen Mähren Spanien. Und wie sie sich gegen den Main wälzten, sprang sie der dritte Ächter an, Christian, der tolle Bischof von Halberstadt. Der unbändige Mann konnte kaum lesen, kaum schreiben, an seinem Hut trug er den Handschuh der schönen, flüchtigen Pfalzgräfin. »Alles für Gott und für sie« stand auf der roten Standarte, die seine Leibgarde trug; darauf gemalt war ein doppelköpfiger Adler, dem rechts und links ein Löwe päpstliche Tiara und Reichskrone mit erhobenen Pranken abzureißen suchte. Er kam stracks von Paderborn, wo er in der Kirche die Silberstatue des heiligen Liborius umarmt hatte, dem Heiligen dankend, daß er auf ihn gewartet hatte; er münzte ihn aus zu Trutztalern auf die Pfaffen. Der barbarische Recke und Mansfeld, der Kobold, zogen zusammen. Am Main prallten sie an die anrollende Heereswoge, bei Höchst wurden sie von der Woge verschlungen.
Friedrich schickte Boten an den Bastard und den tollen Bischof, sie möchten, sofern sie noch lebten, zu ihm kommen in das Lager von Zabern. Die lebten beide noch. Mit niedergeschlagenen Augen, wie nach einem mißglückten Selbstmord, fluchend haßgeschwollen schleppten sie sich auf den Muster- und Werbeplatz in der sanften hügeligen Landschaft. In das Wirbeln der Trommeln, zwischen die lockenden Wappenschilder, die geldtragenden Schreibertische, in das Bänderschwingen und trotzige Rumoren der jungen Arkebusiere tauchten sie wie
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