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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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Drehte das kleine
Plastikrädchen auf maximale Flamme und stieg mit seinen Dr. Martens-Stiefeln
auf die erste Stufe in der Öffnung des Bodens hinunter.
    Die Treppe
verlief entlang der rechten kahlen Wand des Untergeschosses, und Don schaute
zu Eva hinauf, die sich immer noch die Nase zuhielt. Er lauschte dem Prasseln
des Regens. Dann beschloss er, dass sie schon viel zu weit gekommen waren, um
wieder umzukehren, und er stieg langsam weiter hinab.
     
    Als sich
seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, begriff Don, woher der abstoßende
Gestank kam. Irgendwo hier unten musste ein Abflussrohr leck sein, denn über
die untersten Treppenstufen floss eine bräunliche Flüssigkeit, die bereits den
Boden bedeckte. Die Überschwemmung war so weit fortgeschritten, dass die Brühe
schon über die unterste Reihe der Grabsteine schwappte. Er hoffte, dass die
Zementfugen vor den Öffnungen der Sarkophage zumindest dicht hielten.
    »Sie
brauchen nicht herunterzukommen!«, rief Don zu Eva hinauf.
    Das Licht
reichte, wenn überhaupt, sowieso nur für einen.
     
    Flach
atmend stieg er die letzten trockenen Treppenstufen hinab. Ließ das Feuerzeug
ausgehen, damit es wieder erkalten konnte. Den Sturm und das Trommeln des
Regens dort oben hörte er nur noch gedämpft.
    Dann
machte er das Feuerzeug wieder an und beugte sich von der Treppe aus nach
links, um die am nächsten liegende Reihe von Grabsteinen zu untersuchen.
    »1907 ...
1908, 1909.«
    Er
verbrannte sich die Finger am Feuerzeug, fluchte und wedelte mit der Hand vor
dem Körper.
    In dem
pechschwarzen Dunkel um ihn herum versuchte er sich ein Bild davon zu machen,
wie die Gräber ausgerichtet sein könnten. Die Nummern verliefen von links nach
rechts. 1909 war die letzte, die er hatte erkennen können. Er musste sich also
noch vier Nummern weiterstrecken, um den Grabstein mit der Nummer 1913 zu
erreichen. Definitiv bis an die Grenze des Möglichen, ohne in die stinkende
Brühe treten zu müssen.
    Er ergriff
die Kante der Öffnung, die er oberhalb seines Kopfes gerade so erreichen
konnte. Beugte sich dann an einem Arm hängend so weit vor, wie es sein steifer
Rücken zuließ.
    Die andere
Hand streckte er in Richtung der Wand mit den Grabsteinen und zündete erneut
die Flamme:
     
    - 1912-BELLEMERE
GEORGES
    MORT
POUR LA FRANCE le 23-4-1915 Blessures de guerre
     
    Don ließ
das Feuerzeug ausgehen und hangelte sich wieder zurück. Nur eine kurze Pause.
Schloss für einen Augenblick die Augen und horchte in die Dunkelheit hinein.
    Dann öffnete
er die Augen wieder, ein letzter Versuch, nur noch ein kleines Stückchen
weiter.
    Er
streckte sich so weit er konnte mit dem Arm vor. Ein Zischen, als die Flamme
anging. Sie flackerte vor ihm auf:
     
    - 1913
- MALRAUX CAMILLE
    MORT
POUR LA FRANCE le 22-4-1915 Tue á l'ennemi
     
    Die Glaskapseln
     
    Elena
wusste sehr wohl, dass sie nicht die Einzige war, die die Stiftung aufgezogen
hatte. Im Laufe der Jahre hatte
Vater viele Kinder nach Wewelsburg geholt, aber insbesondere ihre Fähigkeiten
waren von unübertrefflicher Qualität gewesen.
    Die
anderen Kinder hatten in kleineren Gruppen zu zwölft arbeiten müssen - aus
irgendeinem Grund schien es die erfolgversprechendste Zusammensetzung zu sein.
Die Männer der Stiftung hatten daraufhin mit allen Methoden versucht, ihre
rezeptiven Anlagen weiterzuentwickeln. Dennoch hatten sich die Sinneswahrnehmungen
dieser Kinder als hoffnungslos unpräzise erwiesen, während sie selbst im Lauf
der Zeit Vaters erster und einzigartiger Fund blieb.
     
    Als Auserwählte
und Adoptivkind hatte er sich auch in besonderer Weise um sie gekümmert.
Bereits bevor Elena begreifen konnte, um was es sich handelte, hatte Vater ihr
die ältesten Skizzen aus der Tiefe der Quelle gezeigt. Die Visionen ergänzten
die rein technischen Beschreibungen des Hohlraums, die man bereits früh verfasst
hatte. Vereinzelte rasch angefertigte Zeichnungen am Blattrand, die von einer
fremden Hand zu stammen schienen.
    Doch nur
wenige der ursprünglichen Forscher besaßen die psychischen Voraussetzungen,
die astralen Felder zu deuten, die sich in der Unterwelt verbargen. Und
diejenigen, deren Aufzeichnungen beeinflusst worden waren, hatten es als
Phänomen abgetan, dem jegliche rationale Dimension fehlte.
    Alles nahm
jedoch eine völlig neue Dimension an, als man entdeckte, dass eine der
unfreiwilligen Skizzen die Form eines sich selbst erneuernden Moleküls besaß,
das man noch nie zuvor gesehen hatte. Es hätte sich um puren

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