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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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Pfützen auf dem Weg auszuweichen.
    Am Ende
des Friedhofs stand ein schlichter Obelisk, der auf ein Massengrab hinwies.
Hinter ihm erhob sich wie eine Mauer eine Reihe von Weiden, deren Zweige über
den Boden schleiften. Unmittelbar hinter den Bäumen bog ein schmaler Kiesweg
nach links ab. Vermutlich war er einmal sorgfältig geharkt gewesen, doch jetzt
glich er mehr einem matschigen Pfad.
    Als sie
ihm entlang der hinteren Begrenzung des Friedhofs folgten, fiel Don auf, dass
die Gräber keine französischen Namen mehr trugen. Hier lagen die Leichen von
Marokkanern, Algeriern und Tunesiern. Ihre Grabsteine waren mit einer zwiebelförmigen
Spitze sowie arabischen Schriftzeichen versehen. Doch was die Todesdaten der
Muslime betraf, bestand kein Unterschied zu den Grabsteinen der Franzosen.
    Die
Matschspur führte zu einem Hain, und hinter den Baumstämmen war ein
tempelartiges Gebäude zu erkennen. Vielleicht hatte die Fassade früher einmal
an römischen Marmor erinnert, doch inzwischen waren die Betonsäulen von Rissen
durchzogen. Vom schrägen Dach rauschte das Regenwasser herunter und bildete vor
der breiten Treppe einen kleinen See.
    Eva zog
Don mit sich zwischen die Weiden, so dass sie das letzte Stück zum Mausoleum
nicht durchs Wasser waten mussten. Es besaß keine Tür, lediglich ein Portal
mit der Inschrift:
    Les
crimes de guerre - La gráce divine »Apres vous«, sagte Eva.
    Don machte
einige zögernde Schritte an den Säulen vorbei in die dunkle Öffnung des Portals
hinein. Drinnen war es dermaßen finster, dass er nicht sehen konnte, wo das
Betongebäude endete. Das Einzige, was er hörte, waren seine eigenen Atemzüge,
die in einem verzögerten Echo von den Wänden widerhallten. Dann hörte er Evas
Schritte, und die Geräusche ihrer Atemzüge mischten sich miteinander.
    »Hier
drinnen muss doch irgendwo Licht sein«, hörte Don sich selber flüstern.
    Er tastete
mit der Hand an der Wand entlang auf einen rotflackernden Punkt zu, woraufhin
es von der Decke zu knistern begann. Dann breitete sich ein hellblauer Schein
von den Lampenschirmen aus milchigem Glas aus.
    »Also was
haben wir denn hier«, fragte Don, um irgendetwas zu sagen.
    In den
gefliesten Fußboden des Mausoleums hatte sich Dreck eingefressen, und entlang
der Wände erstreckte sich ein karoartiges Muster von Grabsteinen in Form von
viereckigen Platten. Unter einer grünlichen schimmelartigen Schicht waren ihre
Namen und die Jahreszahl in den Beton gegossen.
    Es roch
wie auf einer öffentlichen Toilette, und mitten auf dem Fußboden befand sich
ein Loch, das notdürftig mit groben Holzplanken abgedeckt war. Sie waren zu
einer Luke zusammengenagelt, die eine Art Provisorium darzustellen schien.
    Als Don
etwas näher heranging, stellte er fest, dass der ekelhafte Gestank aus dem
zugedeckten Loch kam. Man konnte ein schwaches Gluckern wie aus einem
Wasserverschluss hören, der nicht mehr vollständig dicht war.
    Er wandte
sich von der abstoßenden Holzluke ab und begann die Wände nach Zahlen
abzusuchen. Fand die erste Grabnummer in der linken Ecke des Raumes:
     
    -
1801 - MONTARD JEAN-LOUIS MORT POUR LA FRANCE le 22-4-1915 Tue á l'ennemi
     
    Dann
folgte er den Vierecken an der Wand, bis er zum Grabstein mit der Nummer 1850
kam. Auf der anderen Seite der Wand setzte sich die Zahlenfolge fort und endete
dreizehn Nummern zu früh auf einem Grabstein mit der Nummer 1900. Dons Blick
wanderte zu der undichten Holzluke in der Mitte des gefliesten Bodens. »Es muss
noch ein weiteres Stockwerk geben«, flüsterte er.
     
    Während
der Regen auf das Dach des Mausoleums trommelte, ergriffen sie jeder eine Seite
der nachlässig zusammengenagelten Planken. Sie mussten einige Kraft aufwenden,
um die Luke anzuheben, und als sie sie endlich aufgeklappt hatten, stand Don
plötzlich alleine mit dem schweren Gewicht in der Hand da.
    Eva hatte
losgelassen und sich mit der einen Hand die Nase zugehalten, um nicht den
faulen Gestank einatmen zu müssen, der ihnen entgegenströmte. In der
rechteckigen Öffnung, die unter den Planken verborgen war, führte eine Treppe
hinunter in einen stockfinsteren Raum, in dem sich definitiv keine Beleuchtung
befand.
    Don ließ
die aufrecht stehende Holzluke nach hinten fallen, wo sie mit einem Knall auf
dem Boden landete. Er schaute Eva erwartungsvoll an, doch sie schüttelte
lediglich den Kopf. Dann bedeutete sie ihm, dass er es war, der hinuntergehen
musste.
    Er atmete
tief durch den Mund ein und zündete das Feuerzeug erneut.

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