Wallentin, Jan
Himmler kaum leisten.«
»Karl
Maria Wiligut. Ein Jude ...«, wiederholte Don. »Sie meinen also, dass er ein
eingeschleuster Jude war, der den SS-Ring mit Totenkopf, Swastika, Siegerrune
und der germanischen Hagalaz entworfen hat? Der Ring, der als Belohnung an die
SS-Verbände ausgeteilt wurde, die die effektivsten Konzentrationslager leiteten?«
»Wiligut
hat niemals eine Hagalaz gezeichnet«, merkte Eberlein an. »Er zeichnete ein
Abbild des Sterns, den Sven Hedin damals in einer Ruine in der Taklamakan-Wüste
gefunden hatte, in den Ring der SS-Offiziere. Mit fünf Strahlen, die von einer
Nabe ausgingen, in der Form, die die alten Ägypter Seba nannten.«
Don fiel
dazu nichts mehr ein, so dass er stumm sitzen blieb. In der Ecke des Sofas
zwirbelte Eva schweigend eine graue Locke durch ihre Finger. Dann warf Eberlein
einen Blick auf seine Uhr und pfiff leise durch die Zähne:
»Ich
glaube, es ist Zeit zu gehen.«
Der
Deutsche stand auf und strich die Hosenbeine seines Anzugs glatt. Don spürte,
wie jegliche physische Kraft aus seinem Körper gewichen war.
»Nein«,
sagte Eberlein und reichte Don seine Hand. »Bezüglich der Geschehnisse nach
1938 fällt keinerlei Schuld auf die Stiftung. Außerdem war es rein rechnerisch
betrachtet eine gute Wahl, die Nazis ihrem Schicksal zu überlassen. Hitlers
Kriegsmacht war im Prinzip bereits aufgerüstet. Die Geschäftsmöglichkeiten im
Hinblick auf die Skizzen aus der Unterwelt waren auf der anderen Seite des
Adantiks bedeutend größer. Denn dort hatten die USA ihre Kriegsindustrie bisher
noch kaum gefördert.« Eberlein zog Don hoch auf die Beine.
»Welche
teuflische Unterstützung Himmler, Hitler und Goebbels auch immer erhielten, um
noch weitere sechs Jahre auszuhalten, ist in der Tat ein Mysterium. Doch in
Kürze werden Strindbergs Kreuz und Stern das Tor zur Unterwelt mit einem
letzten Einsatz von Ihrer Seite wiederfinden. Dann werden alle Fragen beantwortet
sein.«
»Mit einem
letzten Einsatz?«, hörte Don sich selber fragen.
Doch
Eberlein war bereits beim Übergang des Eingangbereichs zur Burghalle angelangt,
wo die Kröte stand und wartete. Und bald darauf folgten alle dem dunklen Weg,
von dem Don nur allzu gut wusste, dass er zum Nordturm der Wewelsburg führte.
In der
Mitte des schwarzen Sonnenmosaiks auf dem Marmorboden saß ein glatzköpfiger
Mann in einem Elektrorollstuhl. Eines seiner Augen sah wie ein lebloser
Feldstein aus, während das andere auffallend wach und hartherzig blickte.
Draußen
vor den Fenstern des Turmsaals hing eine dünne Mondscheibe hinter den Wolken,
die wie Nebelschwaden aussahen. Eine steile Treppe führte vom oberen Saal
hinunter in die Krypta, aus der ein flackerndes Licht aufstieg. Die ewige
Gasflamme war zum ersten Mal seit siebzig Jahren angezündet worden.
An der
Seite des Vaters stand Elena und trat unruhig in einem blutroten Abendkleid auf
der Stelle. Bei ihnen standen ebenfalls zwei junge Männer mit kahlrasierten
Schädeln, deren Gesichter so teilnahmslos wirkten, dass sie wie
Porzellanfiguren aussahen.
Als Don
sich in den Turmsaal hineinbewegte, heftete er seinen Blick fest auf die junge
Frau, um nicht hinunter auf das rotierende Sonnenrad sehen zu müssen. Eberlein
zog ihn mit sich in Richtung des Treppenabgangs zur Krypta, um ihm die
Gasflamme zu zeigen.
Als sie zu
Vater in die Saalmitte kamen, räusperte Eberlein sich und öffnete den Mund.
»Danke,
ich weiß«, kam ihm Vater zuvor und streckte seine langen knochigen Finger aus,
während er Don signalisierte, sie zu ergreifen.
Sie waren
dünn wie die Fühler eines Insekts, und Don ließ sie schnell wieder los.
»Don
Titelman«, sagte Vater. »Und dann haben wir da natürlich noch die kleine
Eva ...«
Eva
ergriff die ausgestreckte Hand nicht. Vater lachte auf.
»Sie sind
weit gereist, um hierherzukommen, und Sie sind uns eine große Hilfe gewesen.
Jetzt fehlt nur noch eins, bevor Strindbergs Sphären wieder neu entstehen
können.«
Vater zog
an dem kleinen Hebel am seitlichen Rahmen. Daraufhin bewegte die Hydraulik des
Rollstuhls seinen Körper nach oben, bis das strenge Auge direkt in Dons schauen
konnte.
»Wir
benötigen Ihre Hilfe, um ein Versprechen zu erfüllen.«
»Ein
Versprechen«, flüsterte Don, »und was geschieht dann?«
»Wir
werden heute Abend ein Versprechen erfüllen«, fuhr Vater fort, »oder ein Opfer
darbringen, ganz wie Sie wollen. Ein Beschluss, der unmittelbar nach Karl
Maria Wiliguts Tod in der düstersten Zeit der
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