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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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ausgemergeltes Gesicht. Er
erkannte sofort den eigensinnigen alten Mann wieder, der sein Gepäck zu Beginn
der Reise lieber selber an Bord hatte bringen wollen. Als Reiseleiter auf dem
Eisbrecher unterhielt Bailey keinen besonders intensiven Kontakt mit Agusto
Lytton oder den anderen aus der südamerikanischen Gruppe. Sie hatten kein sonderliches
Interesse an den Meerestieren gezeigt, die die Jamal passierte.
    Neben
Lytton standen ein paar seiner langhaarigen Männer mit finsterem Blick. David
Bailey war bemüht, sein ansonsten so selbstsicheres Lächeln aufzusetzen und
streckte die Hand zum Gruß vor. Doch Lytton blieb mit vor der Brust
verschränkten Armen stehen und eröffnete das Gespräch:
    »Senor
Bailey, ich hatte gerade vor, loszugehen und Sie zu wecken. Sie müssen eine
Mitteilung an alle Passagiere herausgeben. Es sind einige neue Regeln auf
diesem Schiff in Kraft getreten, die für alle von Bedeutung sind.«
    »Aha«,
entgegnete Bailey verwirrt, »aber es ist gerade mal halb vier. Ich gehe davon
aus, dass alle schlafen und ...«
    »Senor
Bailey, das war keine Frage. Sie brauchen nicht einmal nachzudenken, leihen Sie
mir lediglich Ihre beruhigende Stimme.«
    Bailey
konnte auf den Namensschildern sehen, dass es Moyano und Rivera waren, die ihn
nun an den Armen hochhoben. Die Südamerikaner trugen ihn ein Stück weit über
dem Boden zu den Kommandoanlagen, wo ein Mikrophon mit einem biegsamen Schaft
bereitstand.
    Lytton bog
es hinunter zum Mund des Reiseleiters und legte den Zeigefinger auf den
Schalter.
    »Was Sie
sagen werden, ist Folgendes, und ich glaube, es ist das Beste, wenn Sie sich an
diesen Text halten.«
    Ein
handgeschriebenes Papier wurde vor Bailey auf den Tisch gelegt; es enthielt
nur ein paar kurz gefasste Sätze.
    »Sie
müssen jegliche elektronische Ausrüstung abgeben?«, stammelte der Reiseleiter.
»Handys und Kameras ... aber das ist doch wohl nicht nötig, oder?«
    Er schaute
inständig zu Nikolajewitsch hinüber, doch das Gesicht des Kapitäns zeigte
immer noch keine Regung. Dann betätigte Agusto Lytton den Schalter, und aus
dem Lautsprechersystem war ein Knistern zu hören, das in ein schrilles Pfeifen
überging.
    David
Bailey hüstelte, räusperte sich und schaute auf die ersten Silben auf dem
Papier hinunter. Dann begann er mit unsicherer Stimme laut vorzulesen.
     
    Eva begann
sich zu fragen, ob Don Titelman eingeschlafen war, denn sie konnte in seiner halb
liegenden Position auf dem Sofa seine Augen nicht sehen. Seit einer Stunde
herrschte abgesehen vom rhythmischen Stampfen des Eisbrechers gespenstische
Stille in der Kapitänssuite.
    Don hatte
ihr nach der langen Geschichte von Lytton keine Fragen gestellt. Stattdessen
hatte er sich abgewandt und geschwiegen. Sie konnte nicht wissen, wie er über
das dachte, was er zu hören bekommen hatte, aber sie ging davon aus, dass er
daran zweifelte.
    Und
dennoch war es wahr, alles, was er erzählt hatte. Selbst wenn die Jahre
inzwischen zusammenzuschmelzen schienen, hatten sie und ihr Vater bereits viel
zu lange gelebt. Die Injektionen im Teenageralter hatten Narben und Schmerzen
hinterlassen, doch genau wie bei Lytton hatten sie ihre Funktion erfüllt.
    Sie hatten
den genetischen Countdown, den jeder Mensch in sich trägt, verlangsamt. Die
biologische Uhr, die bereits bei der Geburt auf eine begrenzte Zeit
eingestellt war. Neunzig Jahre nach den ersten Versuchen gelang es ihren Zellen
immer noch, sich ohne den geringsten Defekt oder eine Mutation selber zu
erneuern.
    Möglicherweise
war ihre Haut etwas dünner geworden, und die Gelenke und Knochen bereiteten ihr
einige Probleme. Aber ansonsten war Evas Körper genau wie der ihres Bruders im
Bergwerk einwandfrei erhalten. Es barg eine gewisse Ironie in sich, dass die
Öffnung zur Unterwelt beide Geschwister gewissermaßen dem Zugriff der Zeit
entzogen hatte.
    Der Preis,
den sie dafür bezahlen musste, war ihre Sterilität, doch dass sie mit dieser
Konsequenz rechnen musste, hatte damals keiner ahnen können. Ihr Vater hatte
ihr immer wieder versichert, dass dieses Geschenk außergewöhnlich war und man
es nie mit Geld würde aufwiegen können. Auf diese Weise hatte er die Kontrolle
über sie behalten.
    Manchmal
fragte Eva sich, ob sie überhaupt real existiert hatte, denn wenn man
existiert, muss man doch die Fähigkeit besitzen, eigene Entscheidungen zu
treffen, oder? In Stockholm hatte sie immerhin gemeinsam mit einem Mann ein
eigenes Leben geführt, ein paar Jahrzehnte um den Zweiten

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