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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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Weltkrieg herum,
bevor sie zu ihrem Vater und einem Leben in seinem Schatten zurückgekehrt war.
    Das
Einzige, was sie beide verband, war die Trauer um Olaf - von dieser Trauer
hatte sich Lytton nie richtig erholt. Und dennoch wusste sie immer noch nicht,
worum ihr Vater am meisten trauerte: um den Verlust seines Sohnes oder dass
ihm Strindbergs weißer Stern und das Kreuz abhandengekommen waren?
    Zu Beginn
des vergangenen Jahrhunderts hatte er sie einmal mit in die Öffnung
hinuntergenommen. Eva war damals zwölf Jahre alt und hatte die Begebenheit in
Erinnerung wie eine Fahrt in die Hölle. Das Dröhnen dort unten hatte sie nie
wieder losgelassen, doch an irgendwelche mystischen Visionen konnte sie sich
nicht erinnern.
    Danach war
sie nie wieder dort gewesen und hatte sich auch nicht in die Militärforschung
eingemischt. Sie endete als stumme Assistentin, die sich um die praktischen
Dinge ihres Vaters kümmerte. Von denen, die damals mit ihm gemeinsam in die
Unterwelt vorgedrungen waren, war sie die Einzige, die noch lebte, die Einzige,
die wusste, aus welchen Zusammenhängen Lyttons großer Wissensschatz stammte.
    Soweit sie
es verstanden hatte, waren die Untersuchungen ihres Vaters in den vergangenen
Jahren immer mehr zum Experiment geworden. Es schien, als hoffte er darauf, nun
Kontakt mit der anderen Seite aufnehmen zu können, von der er sich mittels der
Injektionen so lange hatte fernhalten können.
    Lytton war
ganz bestimmt der Meinung, dass die Männer, die er mit sich auf den Eisbrecher
genommen hatte, genügend mentale Kräfte besaßen, um das Tor zur Unterwelt
öffnen zu können. Als Ziel hatte er hundertprozentige Erkenntnis angegeben; er
wollte jegliche Tendenzen zu Andeutungen hinter sich lassen. Wollte die
Klarheit erlangen, nach der er so lange gesucht hatte.
    Sie war
den Instruktionen ihres Vaters gefolgt und nach Falun gereist, wo sie Don
Titelman begegnete. Er hatte sie so stark an den Bruder erinnert, den sie
verloren hatte, dass sie nicht an einen Zufall glaubte.
    Während
ihrer gemeinsamen Reise war Eva immer unsicherer im Hinblick darauf geworden,
was sie eigentlich mit dem Auffinden von Strindbergs Gegenständen erreichen
wollte. Sie wusste nicht länger, ob es ihr darum ging, ihrem Vater zu helfen,
oder ob sie nicht eher vorhatte, seine Unterwelt zu vernichten.
    Jetzt, da
sie neben Don auf dem Sofa saß, konnte sie es noch immer nicht mit
Bestimmtheit sagen. Das Einzige, was sie wusste, war, dass sie ihn gerne vor
dem unausweichlichen Ende der Reise bewahren wollte. Sie richtete sein
Samtjackett, dann blieb sie einfach sitzen und lauschte seinen verhaltenen
Atemzügen.
     
    Als Don
spürte, dass sie ihn berührte, wollte er ihre Hand ergreifen, wollte Antworten
auf all die Fragen verlangen, die er noch nicht hatte stellen können. Dafür,
dass Eva über hundert Jahre alt war, war sie geistig erstaunlich rege, und sie
hatte mit ihrer Rolle als Rechtsanwältin offenbar ein erstaunliches Glück gehabt.
Doch wie man so sagt: a mentsh on mazel iz vi a toyter
mentsh, ein Mensch, der kein Glück hat, kann ebenso gut tot sein.
    Als er
allerdings an all die Ereignisse dachte, die zwischen der Kapitänssuite und dem
Vernehmungsraum in Falun lagen, konnte Don nicht umhin zu lächeln. In seiner
Erinnerung würden sie immer aufs Neue durch Ypern streifen und über Saint
Charles de Potyze wandern, und er spürte bereits jetzt, dass er sie vermisste,
obwohl sie nur einen Meter von ihm entfernt saß.
    Er schaute
auf und versuchte seine erste Frage zu formulieren, doch genau in dem Moment
wurde es unheimlich still. Dann erzitterten die Gläser hinten im Barschrank,
und der Eisbrecher Jamal begann mit
einem saugenden Ruck seine Geschwindigkeit zu drosseln.
     
    Die Öffnung
     
    Draußen im
Schneetreiben hatten die Flügel des Helikopters gerade begonnen zu rotieren.
Don versuchte sich die Ohren zuzuhalten, um sich vor dem Lärm der Maschine zu
schützen. Doch es gelang ihm nicht, denn Moyano riss ununterbrochen an seinem
Arm, als er ihn mit sich zur Startplattform auf dem Achterdeck des Schiffes
zog.
    An seiner
Seite stemmte sich Eva gegen den Wind vorwärts. Sie hatte die Hände in den
Taschen ihrer Jacke vergraben, und im Scheinwerferlicht erschienen ihre Augen
rot gerändert. Den Kopf hatte sie nicht bedeckt, und die grauen Strähnen waren
unter der wachsenden Schneeschicht kaum zu erkennen.
    Agusto
Lytton hatte sich nicht selber darum gekümmert, sie aus der Kapitänssuite zu
holen. Der alte Mann stand

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