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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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bewegte. Sie musste doch gemerkt haben, was sich dort vor ihr anbahnte,
und dennoch blieb sie, ohne irgendeine Reaktion zu zeigen, stehen. In den
Kabeln zwischen den leuchtenden Köpfen pulsierte es immer schneller, und der
Wirbel, der sich in der Mitte der Sonne gebildet hatte, wölbte sich jetzt wie
ein verschlingendes Loch nach innen.
    Er glich
einer Spirale, die alles ansog, und als Don zu ihr hinsah, spürte er, wie sein
Körper immer schwerer wurde. Er hatte den Eindruck, dass sie Herz und Seele aus
ihm herauszog und seine Persönlichkeit dabei war, in die Tiefe des
Sonnenwirbels hineingezogen zu werden.
     
    Elena
spürte nun ebenfalls die gewaltige Anziehungskraft, doch für sie war das
zunehmende Gefühl der Schwere nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war, dass
die Stimme der Mutter verstummt und verschwunden war, als hätte das
unglücksselige Rauschen des Wirbels sie erstickt.
    Dann
stellte sie fest, dass Vaters Laserstrahl angefangen hatte, sich zu bewegen,
und seine rote Linie langsam auf Eva Strand zusteuerte. Elena versuchte mit
ihrem Mund eine Warnung zu formen, doch im zunehmenden Chaos gehorchte ihr die
Stimme nicht.
    Der Strahl
endete in einem roten Punkt auf der hellen Stirn der Rechtsanwältin. Eine ganze
Sekunde lang stand er dort still wie eine Zielmarke.
     
    Don hörte
den Schuss nicht. Er sah nur, wie Eva plötzlich wie eine Marionette
zusammensank, deren Fäden unerwartet abgeschnitten worden waren.
    Der Schrei,
der in ihm aufstieg, kam kaum über seine Lippen. Er riss an den Handschellen
und zog Elena mit sich hinter dem Steinblock hervor zum am Boden liegenden
Körper der Rechtsanwältin.
    Weiter
hinten vor der Schwarzen Sonne hatte Lytton schließlich auch mitbekommen, was
geschehen war, und warf sich hinter den schützenden Schirm des Metallbogens.
Mit einem zischenden Laut hörten die Kabel auf zu leuchten. Die Südamerikaner
stürzten einer nach dem anderen von ihren Sitzen und sprangen ebenfalls in den
Schutz von Lyttons Konstruktion.
    Don und
Elena waren bei Eva angekommen. Don fiel auf die Knie und hob ihren Kopf
vorsichtig mit einer Hand an. Mit den Fingern der anderen Hand versuchte er den
Blutfluss aufzuhalten, der aus dem Austrittsloch der Kugel an ihrem Hinterkopf
drang.
    An der
Stelle auf Evas Stirn, wo Vaters Schuss sie getroffen hatte, klaffte ein Loch
von der Größe einer Münze. Ein drittes Auge, das aussah wie die Wunde ihres
Bruders. Im Tod waren sie sich ähnlich, Eva und Olaf, dachte Don. Im Tod war
jegliche Spanne an Lebenszeit zwischen den Geschwistern aufgehoben.
    Er hörte,
wie er Eva zurief, sie solle erwachen. Beugte sich so nahe zu ihr hinunter,
dass er oberflächlich ihre Atemzüge spüren konnte. Dann sah er tief in ihren
Augen hinter den Pupillen eine schwache Flamme aufleuchten. Don rang nach
Worten, doch wie sehr er sich auch bemühte, er fand keine.
    »Don
Titelman«, hauchte Eva. »Sie hatten einen sehr schönen ... Güterwaggon.«
    »Eva ...«
    »Aber es
war nicht... Es war nicht richtig. Dass er sie hierhergebracht hat.«
    »Eva«,
flüsterte Don, »versuchen Sie zu atmen.« Sie schaute ihn lange an, bis ein
Windhauch das Licht in ihren Augen ausblies.
     
    Elena sah,
wie das blasse Gesicht in Staubschleier gehüllt wurde. Die feinen Linien in
Evas Haut waren weicher geworden und glätteten sich langsam. Don versuchte
immer noch den Blutfluss zu stoppen, und als er zu Elena aufschaute, konnte sie
sehen, wie sich seine Kiefer mahlend bewegten.
    Die
Südamerikaner waren hinter der Metallkonstruktion in Bewegung geraten, und
gleichzeitig wurde der Wirbel schwächer. Ohne die Hirnströme der Männer nahm
die Geschwindigkeit der Rotation nun stetig ab. Die Scheibe drehte sich immer
kraftloser, und schließlich hing die Schwarze Sonne genauso glatt und unbeweglich
da wie vor Lyttons merkwürdigem Experiment.
    Die von
den Deutschen hinter den Steinblöcken ausgehenden Laserstrahlen tanzten durch
den Nebel, und es richteten sich immer mehr rote Lichtpunkte auf den
Metallbogen.
    Elena
schaute hinunter auf das Kreuz, das Eva immer noch in den Händen hielt. Es
leuchtete im Dunkeln auf, als sie es vorsichtig aus den Fingern der toten Frau
wand und gab schließlich den Blick auf den Stern in seiner Mitte frei.
    Auf der
anderen Seite der Leiche saß Don mit gebeugtem Kopf und zitternden Schultern.
Elena ergriff das kalte Metall und führte das Kreuz an ihre Brust.
    Sie
schielte zu Vater hinüber, von dem sie wusste, dass er sie hinter seinem
Felsblock

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